Folge 77 November-Dezember 1997
Banater Berglanddeutsche
Mitteilungsblatt des Heimatverbandes Banater
Berglanddeutscher aus Rumänien e.V.

Inhalt

Donauschwäbisches Zentralmuseum in Ulm
 

Strukturelle Veränderungen der Wirtschaft

Orawitz
Das Kinderstädtchen in Reschitz
Büchertips
Zehnte Deutsche Kulturdekade

Eine ungewöhnliche und außergewöhnliche Ausstellung
 

Die Werkstattausstellung des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm
 
 

Die Veranstalter haben sich einiges einfallen lassen. Es war nicht nur eine Ausstellung zu besichtigen, geboten wurde auch ein abwechslungsreiches Begleitprogramm.
An der Eröffnung der Werkstattausstellung des DZM am 17. Oktober nahmen Vertreter der staatlichen Institutionen (Bund, Land Baden-Württemberg, Stadt Ulm) teil, die maßgeblich an der Entstehung des Museums mitwirken, Vertreter der Landsmannschaften, ausländische Gäste und interessierte Besucher.
In einer Ansprache, die sein Engagement für das DZM erkennen ließ, nannte der Ulmer Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger die Werkstattausstellung ,,eine ungewöhnliche und außergewöhnliche Ausstellung". Warum? Weil sich ein Museum gewöhnlich erst mit seiner Eröffnung einem breiten Publikum vorstellt und weil volkstümliche Museen gewöhnlich lokale Lebensweise und Geschichte darstellen. Das DZM jedoch gibt bereits Einblick in seine Entstehung, und es stellt die Donauschwaben dar; deren Vorfahren zwar etwas mit Ulm zu tun hatten, deren Geschichte als Donauschwaben sich aber andernorts vollzog. Doch soll dieses Museum nicht nur ein Blick zurück sein, sondern auch einer nach vorne. Das DZM soll - und das entspricht donauschwäbischer Geschichte in Südosteuropa - ein Ort der Begegnung werden, der Völker und Kulturen einander näher bringt.
Dem Besucher der Werkstattausstellung vermittelte eingangs eine Diaschau eine Vorstellung von dem, was an Umbauarbeiten geleistet wird, um das Reduit in ein Museum zu verwandeln. Anschließend wurde er mit dem Konzept des Museums vertraut gemacht wie Nutzung der Räumlichkeiten, vorgesehene Themen, von denen uns vor allem das Thema ,,Bergbau und Industrie" Möglichkeiten der Darstellung bietet. Eine große Tafel zeigte die Siedlungsgebiete der Donauschwaben, auch wurde der Name erklärt, demnach ,,Donauschwaben" eine in den zwanziger Jahren geprägte Bezeichnung für die Nachkommen jener deutschen Siedler ist, welche die Habsburger im 18. und 19. Jh. im Donauraum angesiedelt haben. Darauf, daß ,,donauschwäbisch" nicht mit "bäuerlich" gleichzusetzen ist, wurde im letzten Teil der Ausstellung hingewiesen, in dem Dias verschiedene von Deutschen bewohnte Orte in Ungarn und Rumänien zeigten, darunter eine Reihe von Bildern aus den Banater Bergorten.
Ein anderer Raum hatte "Ulm und die Donauschwaben" zum Thema. Das Modell einer Ulmer Schachtel erinnerte an jene Flußschiffe, mit denen die Ulmer den regelmäßigen Schiffsverkehr donauabwärts betrieben und im l8. Jh. viele Siedler von Ulm, Regensburg oder Wien nach Südosteuropa brachten. Einen Eindruck von der Anwerbung bekam der Besucher über Kopfhörer vermittelt. In einem kurzen Hörspiel preist der Werber auf dem Ulmer Marktplatz die Vergünstigungen, die Siedlungswilligen gewährt werden. Der Text entstand nach authentischen Dokumenten. Ein Pflug der Ulmer Firma Gebr. Eberhardt war hier ausgestellt, weil solche Pflüge von vielen donauschwäbischen Bauern benutzt wurden. An das jüngste Kapitel donauschwäbischer Geschichte erinnerte ein Flüchtlingsausweis und eine Aussiedlerkiste, wie sie viele von uns kennen.
Auch was der Museumsbesucher nie zu sehen bekommt, zeigte die Werkstattausstellung. Inventarisieren, Restaurieren, Konservieren gehören zu den Arbeiten eines Museums. Ein entsprechender Arbeitsplatz und die hier benutzten Gerätschaften waren zu sehen. Ebenso Regale des Museumsdepots, in denen die gesammelten Objekte, thematisch geordnet, gelagert sind, darunter Gießereierzeugnisse aus Steierdorf, Grubenlampen aus Reschitz, eine Bergmannskleidung aus Dognatschka.
Gezeigt wurde auch eine Ausstellung, die ein Vertreter der ungarischen Regierung mitgebracht hat: Opfer der kollektiven Vertreibung, eine historisch-volkstümliche Dokumentation zum Gedenken an die Vertreibung der Ungarndeutschen vor 50 Jahren, ein Zeichen dafür, daß man sich nun auch in Osteuropa den dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte stellt.
Teilnehmer an einer Podiumsdiskussion über die ,,Länder Südosteuropas und die Lage der deutschen Minderheiten: Geschichte, Gegenwart, Perspektiven" waren Prof. Dr. Axel Azzola, Experte für die Minderheitenrechte und Sachverständiger des Deutschen Bundestages. (Er unterstützt die Arbeit des Forums in Ferdinandsberg, woher die Familie Azzola stammt.) Prof. Dr. Horst Förster, Leiter des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Jakob Dinges, Vorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben, Lorenz Kerner, Vorsitzender der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, und Prof. Dr. Paul Philippi, Landesvorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Aufschlußreich für uns war sein Beitrag über die Situation der Deutschen in Rumänien. Ihre derzeitige Zahl wird offiziell mit 80.000 angegeben. Philippi verglich ihre Lage mit ,,einem heruntergewirtschafteten Unternehmen", das aber durch gezielte Hilfsmaßnahmen saniert werden kann. Daß sowohl von deutscher Seite wie auch von seiten der südosteuropäischen Staaten, in denen eine deutsche Minderheit lebt, Interesse an deren Fortbestand besteht, machten alle Diskussionsteilnehmer deutlich.
Mit der Schriftstellerin Herta Müller, die aus ihrem neuen Roman las und anschließend offen und ausführlich die Fragen der Zuhörer beantwortete, und einem Orgelkonzert, das Dr. Franz Metz in der Ulmer Pauluskirche gab, waren auch namhafte Banater Künstler vertreten.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die kulinarischen köstlichkeiten donauschwäbischer Küche, zubereitet und angeboten von den Frauen donauschwäbischer Ortsverbände aus Ulm und Umgebung sowie der Trachtenball, veranstaltet von der Landsmannschaft der Banater Schwaben.
Einige donauschwäbische Ortsverbände hatten Busfahrten zum Besuch der Ausstellung organisiert. Auch Ulmer Bürger zeigten Interesse an der Ausstellung und den Veranstaltungen des Begleitprogramms. Insgesamt aber hätte man sich ein regeres Interesse der Landsmannschaften an allen Veranstaltungen gewünscht, nachdem sie sich für die Entstehung des Museums eingesetzt haben und zu den Trägern der Stiftung gehören. Doch scheint man sich immer noch schwerzutun mit der donauschwäbischen Einheit, was sicher darin seine Ursache hat, daß die Deutschen im großen geographischen Raum der mittleren Donau in mehreren Siedlungsgebieten lebten und leben. Und sie hatten im Laufe ihrer relativ kurzen und wechselvollen Geschichte nie die Möglichkeit zu einem ,,Stamm" zusammenzuwachsen wie z.B. die Siebenbürger Sachsen. Es ist daher sinnvoll, von donauschwäbischen Regionalgruppen zu sprechen, deren Geschichte eine Reihe von Gemeinsamkeiten aufweist, die eine Darstellung in einem Zentralmuseum durchaus als begründet erscheinen lassen. Allerdings müssen auch die Unterschiede berücksichtigt werden, denn solche gab und gibt es. So z.B. führte die soziale Lage der Arbeiter des Banater Berglands am Anfang des 20. Jh. zur Entstehung einer sozialdemokratisch orientierten Arbeiterbewegung, während die Banater Bauern als Bodenbesitzer eher konservativ eingestellt waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg behandelte Jugoslawien seine deutsche Minderheit anders als Rumänien. Während im kommunistischen Ungarn die Deutschen weitgehend assimiliert waren, bot Rumänien ihnen die Möglichkeiten, ihre kulturelle Identität zu bewahren. Gemeinsamkeiten und Unterschiede müssen in ihrem jeweiligen Kontext transparent gemacht werden. Nur dann werden sich alle Deutschen dieses Siedlungsraumes vorbehaltlos mit dem DZM identifizieren können.

Ein zusätzliches Problem dürften auch bestimmte Erwartungen sein, die in das DZM gesetzt werden. So war zu hören, jeder Donauschwabe soll nach einem Besuch im Museum sagen können, ich war daheim. Doch wird damit etwas gefordert, was nicht Sinn und Ziel eines donauschwäbischen Zentralmuseums sein kann. Zumal es doch dafür seit Jahren liebevoll eingerichtete Heimatstuben gibt.
Von einem Museum müssen wir daher mehr und anderes erwarten. Warum unsere Vorfahren einst ihre Heimat in Mitteleuropa verließen, wie sie sich allmählich in Südosteuropa eine neue Heimat schufen, womit sie zur wirtschaftlichen sozialen, kulturellen Entwicklung ihrer jeweiligen Lebensräume beigetragen haben, warum wir die Heimat verloren haben, auf solche Fragen sollte das DZM differenzierte Antworten geben. Und auch darauf, welch brauchbare Erfahrungen für das Zusammenleben verschiedener Völker unsere Geschichte lieferte: ein Blick zurück als Anregung für die Gestaltung der Zukunft unserer Nachkommen in einem gemeinsamen Europa. Daß das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm einiges in dieser Richtung leisten kann, das hat die Werkstattausstellung erkennen lassen. Und darum sollten wir alle, die wir siedlungsgeschichtlich dem ,,Neustamm" der Donauschwaben angehören, - ganz gleich, ob wir uns nun Donauschwaben oder Ungarndeutsche, Banater Schwaben oder Sathmarer Schwaben, Banater Berglanddeutsche oder Donaudeutsche nennen,  die Chance nutzen, die uns das Donau-schwäbische Zentralmuseum bietet und die Arbeit des Aufbaustabes nach Kräften unterstützen, denn nur dann - das muß uns allen klar sein - kann das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm letztlich ein Gewinn für alle an seiner Entstehung Beteiligten
werden.Herta Drozdik-Drexler
 
 

Strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft des Banater Montangebietes

 

von Dr. Rudolf Gräf
Fortsetzung
Teil 1 in der Ausgabe September-Oktober

1. Das Zeitalter der Nichteisenerze (18. u. 1. Hälfte des 19. Jh.)

Nachdem das Banater Bergland in den Besitz der Wiener Hofkammer gelangt war, begann man mit der Ausbeutung der Nichteisenerze. Kupfer vor allem, aber auch Silber, Blei und Gold wurden gewonnen. Die wichtigsten Kupferbergwerke waren in Dognatschka, Orawitz, Saska und Bosniak oder Neu-Moldowa. Auch Eisenerz wurde abgebaut, u.zw. bei Eisenstein. Es wurde im Eisenwerk Bokschan bearbeitet und nach 1771 im Eisenwerk Reschitz. Aber es spielte anfangs im Vergleich zu Kupfer keine große Rolle. Die Verwaltung der Bergwerke oblag vier Bergämtern. Sie wurden eingerichtet in Orawitz, Bokschan, dessen Rolle später Reschitz übernahm, Dognatschka und Saska, das 1877 aufgelöst und der ,,Verwaltung" (wie die Ämter in der StEG-Zeit genannt wurden) Neu-Moldowa zugeteilt wurde. Die Bergämter standen unter der Leitung des 1723 gegründeten k.k. Oberbergamtes, welches als solches, später unter der Bezeichnung Banater Bergdirektion, mit kaum nennenswerten Unterbrechungen bis 1856 bestand, zeitweilig seinen Sitz in Temeswar hatte, die meiste Zeit aber in Orawitz. In der Regel wurde das Kupfer in den Orten, wo das Erz abgebaut wurde, auch verhüttet. Es entstehen Kupfer-und Bleihütten, nur in Bokschan wird ursprünglich ein Eisenwerk gebaut. Die Kupferproduktion erreichte jährlich zwischen 2000 - 3000 Zentner Sie wurde im 18. Jh. überwiegend von Gewerken betrieben, eine Form von Privatunternehmen. Einen Teil des erzeugten Kupfers kaufte der Wiener Hof den Gewerken ab, ließ es weiterverarbeiten und verkaufte dann die Fertigerzeugnisse in eigener Regie. Das Kupfer, das nicht nach Österreich verkauft wurde, bearbeitete man in den Banater Bergstädten.
Es ist für uns heute nicht so wichtig, wieviel Kupfer erzeugt wurde. Wichtig scheint mir, darauf hinzuweisen, wie die Entwicklung der Banater Industrie begann. Zum Unterschied von den Anfängen der industriellen Entwicklung in den westeuropäischen Ländern ging die Banater Industrie nicht aus der natürlichen Entwicklung des Landes hervor, sondern sie wurde von oben und von außen implantiert. Sie wurde von der merkantilistischen Politik des Hauses Habsburg gefördert, von Fachleuten aus dem Reich konzipiert und von Kolonisten aus dem Reich und einheimischen Bewohnern konkret aufgebaut. Diese Implantation hatte den Vorteil, daß im Banater Bergland die Entwicklungsetappen des Westens und Zentraleuropas nicht noch einmal durchgemacht werden mußten. Die industriellen Anlagen wurden auf dem technischen Niveau der Industriegebiete des Reiches gebaut. Mit mehr oder weniger Erfolg hat diese Industrie bis um die Mitte des 19. Jh. überlebt.
 

2. Das Zeitalter der Kohle und des Eisens (2. Hälfte d. 19. Jh.)

Der Aufschwung der Eisenhüttenindustrie beginnt erst um die Mitte des 19. Jh., nicht nur im Banat, sondern auch in den entwickelten westeuropäischen Ländern. Bis dahin war die Eisenhüttenindustrie in großem Maße von der Kriegsrüstung abhängig. ,,Das Roheisen ist im 18. Jh. Kanonenroheisen", so Fernand Braudel in seiner ,,Grammatik der Zivilisationen". Dasselbe gilt auch für die Eisenwerke Bokschan und Reschitza. Bis zum Beginn des Eisenbahnbaus gab es auch im Westen Europas kein ernsthaftes Interesse an der Entwicklung des Eisenhüttenwesens. Nur so erklärt sich die Tatsache, daß man, obwohl man im Westen Europas bzw. in England technisch schon seit dem 17. Jh. imstande war, Roheisen mit Hilfe von Koks zu erzeugen, das nicht getan hat, sondern bis spät ins 19. Jh. die Holzkohle bei der Erzeugung von Roheisen verwendet wurde. In Dognatschka hat man noch im Jahre 1869 einen Holzkohlenhochofen gebaut.
Die rapide Entwicklung des Eisenbahnnetzes im vierten Jahrzehnt des 19. Jh. im Westen Europas ändert diese Situation grundsätzlich. Der damit verbundene Bedarf an Roheisen, Eisen und Stahl ist der Auslöser einer radikalen Änderung, was das Eisenhüttenwesen betrifft. Dieser Prozeß, in England eingeleitet, wiederholt sich kurze Zeit später im zentraleuropäischen Raum bzw. in der Habsburger Monarchie, wo um die Mitte des Jahrhunderts der Bau von Eisenbahnlinien einen großen Aufschwung nimmt. Dies hat seine Auswirkungen auch auf das Banater Bergland, denn durch die Gründung der K.K. Österr. Privaten Staatseisenbahngesellschaft und die Konzessionierung der österreichischen Staatsbahnen an diese tritt das Banater Bergland ebenfalls in den ,,Klub" der Industrieregionen ein. Für den südosteuropäischen Raum wird seine Stellung eine führende.  Die StEG, eine Gründung der Banken S.G. Sina, Arnstein&Eskeles aus Wien und der Sodete generale de credit mobilier de Paris (Gesellschafter sind die Barone Georg Sina, Daniel Eskeles, Isac Pereire und der Prinz Rafael Galliera) kauft im Jahre 1855 vom österreichischen Staat unter anderen auch die Banater Bergwerke, Domänen, Hüttenwerke und Eisenbahnlinien (im Bau oder zu bauende). Durch den Vertrag vom 1. Januar 1855 und den darauffolgenden konkreten Übergabeprotokollen übernimmt die StEG im Banat die Bergwerke, Schmelzhütten und Kupferhammer von Orawitza-Tschiklowa, die Kupfer-, Silber-, Blei-, Zink- und Eisenbergwerke sowie die Schmelzhütten von Dognatschka, die Kupfer- und Eisenbergwerke und die Schmelzhütte von Saska, die Steinkohlengruben von Doman und Sekul, die Kupferbergwerke und die Kupferschmelzhütte von Neu Moldowa, die Steinkohlenbergwerke von Steierdorf-Anina, das Eisenwerk Reschitz und den Eisenhammer von Franzdorf, das Eisenwerk und den Kupferhammer von Bokschan, den Eisenhammer von Gladna, die Eisengruben von Eisenstein und Slamina und die Domänen mit einer Gesamtfläche von 130.083,400 ha. Davon waren 42.577,710 ha Ackerboden und 87.505,690 ha Wald. Auf ihren Domänen hat die Gesellschaft auch die feudalen (allodialen) Rechte über ihre acht Bergämter übernommen: Neu-Moldowa, Deutsch-Saska, Deutsch-Orawitz, Steierdorf, Dognatschka, Deutsch-Bokschan, Deutsch-Gladna mit den dazugehörenden montanistischen Gemeinden sowie mit 51 urbarialen (bäuerlichen) Gemeinden. Für die gesamten Banater Werke, Forste und Domänen hat die StEG dem Ärar 11.123,045 Florin (Gulden) und 89 Kreuzer bezahlt.
Die Generaldirektion der Gesellschaft war in Wien. Seit 1882 gab es auch eine Direktion in Budapest. Ubrigens änderte sich damit auch der Name der Gesellschaft in K.K. Priv. ÖsterreichischUngarische Staats-Eisenbahngesellschaft.
Es folgt eine Periode der großen Investitionen, der Neuorganisierung der Produktion, des Einführens von technischen Neuerungen. Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit sind auch hier Kohle und Eisen. Die Kohle von Steierdorf, Doman und Sekul und das Eisen von Eisenstein werden in den Eisenwerken von Reschitz, Bokschan, Dognatschka und später auch Anina verwendet und verarbeitet. Erzeugt werden verschiedene Sorten von Roh-, Gußeisen und Stahl. Aus diesen primären Produkten werden dann Eisenbahnschienen und Brücken gebaut. Gleichzeitig sinkt die Rolle der Ausbeutung und Bearbeitung der Nichteisenerze.

In nur zwei Jahrzehnten erweitert die StEG ihre Anlagen im Banat, indem sie hier folgende ,,Etablissements" errichtet: eine Schwefelsäurefabrik in Neu-Moldowa, das Eisenwerk Anina, die Mineral- Destillationshütte in Steierdorf, die Paraffin-Fabrik in Orawitz, die Eisenhütte in Dognatschka, die Kunstmahlmühlen in Orawitz und Bokschan, die Kalk- und Zementfabrik in Orawitz, den Kalk-Ringofen bei Kraschowa, die Kalk- und Ziegelöfen in Roman-Bokschan, die Montangebirgsbahn Orawitza-Anina, die schmalspurige Montanbahn Morawitza-Reschitza-Sekul u.a.

Fortsetzung folgt

Der Autor ist Historiker am Museum des Montangebietes Reschitz

Meine Heimatstadt Orawitz

von Georg Pischl, EBV

 

Lage, Flurnamen, Bevölkerung

Orawitz liegt auf einer Seehöhe von 253 m über dem adriatischen Meeresspiegel, geographisch auf dem nördlichen Breitengrad 45,5 und auf der östlichen Länge von 39,2.
Montan-Orawitz liegt in einem fünf Kilometer langen, sehr schmalen Waldtal, welches von Nordost nach Südwest verläuft. Dieses Waldtal wird südlich von Bergen begrenzt: Dealul Mare, Prater, Wadarna, Cololia (502 m), Simeon (902 m), östlich Lup mit dem ehemaligen Kurort Marilla (704 m) und nördlich Große Tilfa (800 m) und Kleine Tilfa (674 m). Die Flur- und Hügelnamen sind folgende: Mühlköpfl, Steinisch- bzw. Roter Riegel, Koschowitz,  Kreuzwiese, Mariatroster Graben, Rakowitz, Hollerwiese, Königsegg,  Prisaka,  Marillatal, Schindergraben, Pulferturmer Graben und Gemeindewald. Durch das Orawitz-Tal fließt nach Südwesten der Lisavabach, welcher bis 1945 zwei umfangreiche Teiche speiste, die ehedem der Kupferverhüttung gedient haben. Die 15 km westlich und 22 km südlich von Orawitz fließenden Flüsse Karasch und Nera ergießen sich in die Donau.
Die Bezeichnung Orawitz wurde bei der Besiedelung im frühen 18.Jh. von dem dort schon bestehenden Walachendorf übernommen und dürfte slawischen Ursprungs sein. Die Nachbargemeinde des Ansitzes ,,Derer von Roda" in Slawonien trägt einen ähnlichen Ortsnamen: Ohorawitz.
Bis jetzt nachweisbar geht die deutsche Siedlung auf das Jahr 1717 zurück. Laut Kallanek, Karl Erdély, Dr. R. Kaindl und meinen Nachforschungen dürfte der Beginn der deutschen Bergwerkstätigkeit durch Tiroler Bergknappen jedoch schon für 1703 anzusetzen sein.
Orawitz besteht in seinem deutschen Teil, Montan-Orawitz geheißen, aus einer Hauptgasse, zwei parallel laufenden Nebengassen und aus mehreren Berggassen, welche mit Ausnahme des Friedhof- und Kalvarienberges alle auf der nördlichen Hangseite liegen. In der ungarischen und hernach in der rumänischen Verwaltungszeit haben die Straßenbenennungen jeweils gewechselt, daher werden hier die alten, heute noch gebrauchten deutschen Namen angegeben: Hauptgasse, Witwengasse, Hintere Gasse, Schmelzgraben, Pischlberg, Goldschurf, Gabel (Gabriel), Kirchenberg, Klosterberg, Pulferturm (althergebrachte Schreibweise), Rosenberg, Kochlöffelberg (Spektakelberg), Neuer Fahrtweg, Kies, Kreuzwiese, Stempelberg, Schindergraben, Fuhrwesen, Kneipweg, Kalvarienberg, Eselweg und das rumänische Ogasch, welches vorwiegend von 1740 aus der Kleinen Walachei geflüchteten Tzaranen oder Bufanen bewohnt wird. Ein Teil dieser Bufanen bewohnt auch das Fuhrwesen beim Großen Teich in Orawitz.

Bergstadt und Verwaltungszentrum

Orawitz war von Anbeginn als habsburgisches Krongut Zentrum der Banater Kupferproduktion sowie Sitz des Oberbergamtes und der Berggerichtsbarkeit nach der Maximilianischen Bergordnung. Werk und Siedlung unterstanden bis 1779 der Werschetzer Distriktverwaltung. In den zeitweise 80 Gruben, davon ein Drittel Hoffnungsschläge, wurde Kupfererz gebrochen und in den Hütten daraus das Silber geschieden, welches ausschließlich der Karlsburger Münze zufloß.
Orawitz war im 18. Jh., insbesondere bis zum Türkenkrieg 1737/39, der Mittelpunkt der Kupfererzeugung im Südosten. Das in Maidanpek, südlich der Donau im Kreis Rudnik gebrochene Kupfererz wurde ebenfalls in Orawitz verhüttet. Durch diese Banater Kupfererzeugung wurde die Kupferproduktion Österreichs verdoppelt und die Monarchie errang damit eine führende Stellung auf dem Weltmarkt im Zeitalter des Merkantilismus. Die genannten Türkenkriege hemmten vorübergehend diese Entwicklung. Das Oberbergamt in Orawitz war auch für die Goldwäschereien  an  den Flüssen und Bächen des Krongutes zuständig. Am Minischbach zwischen Bosowitsch und der Militärgrenze sowie am Lisavabach in Orawitz, an den Flüssen Karasch und Nera waren Zigeuner mit den Goldseifen beschäftigt. Die Kaiserin Maria Theresia ließ ausschließlich zu diesem Zweck einen Zigeuerstamm aus der Moldau nach Slatitza an die Nera umsiedeln. Zigeuner betrieben seit Alters her das Goldwaschen an den Gewässern der Karpaten mit archaisch primitiven Werkzeugen. Sie benützen hierzu nur ein Brett und ein Stück Leinwand oder ein Lammfell.
Im Jahre 1845 erschloß das Orawitzer Gewerke ,,Horvath" mitten im Ort den Golderbstollen des Königin-Elisabeth-Bergwerks mit einer Jahresförderung von 100.000 fl Convertierungsmünze. Dieses Goldbergwerk wurde mit sämtlichen anderen Banater Metall- bergwerken, mit Ausnahme der Eisenbergwerke, 1872 eingestellt.
Orawitz blieb weiterhin Sitz der Oberverwaltung des Forstwesens und der Domänen des Banater Montangebietes, welches 130.083 Hektar umfaßte und am 1. Januar 1855 von der Wiener Hofkammer an die Privilegierte Österr. Staatseisenbahn-Gesellschaft (StEG) zum Preis von über 11 Millionen Florin in Gold überlassen worden war.
Orawitz war ab 1919 Bezirkssitz und Sitz der Verwaltung des Komitates Karasch. Die Stadt beherbergte bis 1945 das Bezirksgericht, die Finanzdirektion, die 1930 erbaute Präfektur sowie ein Gefängnis.
Die Stadt besitzt ein Elektrizitätswerk aus dem Jahre 1922, ein Krankenhaus in der Nähe des Bahnhofs und ein Lungenheilsanatorium auf der Marillahöhe des Lupberges an der Landstraße Orawitz-Bosowitsch.
Die Eisenbahnlinie Orawitz-Basiasch von 1847 ist die älteste Südungarns. Sie wurde erbaut, um die in Steierdorf-Anina abgebaute Anthrazit-Steinkohle zum Basiascher Donauhafen zu befördern. Die 33,8 km lange Eisenbahnstrecke Orawitz-Steierdof-Anina ist eine technische Sehenswürdigkeit. Serpentinenartig windet sich diese Eisenbahn die Berge hoch, durch 14 Tunnels und auf 7 Viadukten über Schluchten mit Speziallokomotiven einen Höhenunterschied von 338 m bewältigend.

Kulturelles Leben

Während der staatlich ungarischen Verwaltung, äußerte sich das Volksbewußtsein der deutschen Bevölkerung von Orawitz nur privat und auf kulturellem Gebiet. Das Schulwesen muß auf Grund der Magyarisierungsbestrebungen als Träger ethnischer Entfremdung bezeichnet werden. Eine deutsche Schule gab es erst nach dem Ersten Weltkrieg wieder. Bis 1945 besaß Orawitz ein Frauenkloster, dessen Schulschwestern eine Mädchen-Elementarschule sowie ein Gymnasium unterhielten, ferner gab es eine deutsche Knaben-Volksschule, ein rumänisches Mädchen-Gymnasium und ein rumänisches Knaben-Lyzeum.
Die in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem Werschetzer Zeitungsverleger Juhus Wunder gegründete Wochenzeitung ,,Orawitzaer Wochenblatt" wurde bis September 1944 von der Druckerei Josef Kaden in Orawitz herausgegeben. Diese Zeitung stellt im besten Sinne eine Stadt- und Komitats-Chronik dar. Montan-Orawitz besitzt das älteste, im Jahre 1817 eröffnete Theater Rumäniens. Und damals geruhten Kaiser Franz und die Kaiserin Karoline-Auguste anläßlich ihres Besuches in Orawitz zwei Vorstellungen beizuwohnen.
Orawitz war eines der Banater Dekanate. Der letzte Kreisdechant von Orawitz war der zuletzt in Königsgnad (Tirol) als Seelsorger tätige Pfarrer und Heimatforscher Karl Tribus, gebürtig aus Orawitz. Wegen seiner zahlreichen außergewöhnlichen Marmordenkmäler war der kath. Friedhof von Orawitz berühmt. Heute zerfällt er zusehends.

Unter kommunistischer Herrschaft

Am 14. September 1944 verließen zwei Drittel der deutschen Familien die Stadt. Davon ließen sich mehr als die Hälfte in der Bundesrepublik Deutschland, hauptsächlich in Niedersachsen, nieder, der Rest, soweit noch am Leben, ist in Österreich, Mitteldeutschland und in Übersee. Nach meinen Erhebungen aus dem Jahre 1975 lebten damals dort noch 294 Deutsche. Davon waren 15 Kinder, von welchen nur 6 die 4-klassige deutsche Sektion der Volksschule besuchten. Von den 279 Erwachsenen bekannte sich ein Teil auf Grund sattsam bekannter Umstände nicht mehr zum Deutschtum. Es gibt viele Mischehen, meistens mit rumänischen Ehepartnern. Eine kulturelle Wirksamkeit der wenigen, noch in Orawitz lebenden Deutschen war nicht festzustellen. Die Besitztümer der Deutschen, in der Regel Einfamilienhäuser, wurden nicht enteignet, lediglich große Bauobjekte und Betriebsvermögen in der Hauptgasse. Die Grundvermögen der geflüchteten Orawitzer Landsleute wurden bis 1973 von der Stadt verwaltet und dann hauptsächlich an Rumänen verkauft. Die noch zerstreut in Orawitz lebenden Deutschen sind unterwandert von Rumänen aus allen Landesteilen, die in den dortigen Uran-Bergwerken arbeiten.
Das am Fuße des Große-Tilfa-Berges gelegene Tal Königsegg, benannt nach dem Präsidenten der Wiener Hofkammer des frühen 19. Jh., beherbergte nach 1740 eine Anzahl Kupfer- und Bleigruben. Hier entdeckten russische Montansachverständige 1946 Uranium. In der Folgezeit entstand in Königsegg unter dem Namen ,,Ciudanovita" das wohl ergiebigste Uranabbaugebiet Südosteuropas. Über dieses hermetisch abgeschlossene Sperrgebiet waren in den Jahren der kommunistischen Diktatur nur wenige Nachrichten zu erhalten. Jedoch ließ sich an der ständig zunehmenden Arbeiterbevölkerung auf den Umfang des Bergwerkes schließen. Mit Ausnahme eines Ingenieurs waren in den Urangruben keine Deutschen aus Orawitz beschäftigt.
 
 

,,Unmoralisches" aus Orawitz

Die Orawitzer Bürger gingen mit der Zeit. Um die Jahrhundertwende waren auch in Orawitz Kneipp-Kuren in Mode. Das scheint für manch einen ein Stein des Anstoßes gewesen zu sein. In dem Buch ,,Délkeleti képek" (Südost Bilder) von Frank Zoltán, erschienen 1900 in Orawitz, ist auf Seite 78 zu lesen: ,,Freilich weiß ich nicht, was... Frauen aus anderen Gegenden dazu sagen würden, wenn sie sehen könnten, wie lieblich und unbekümmert leicht hier deutsche Frauen ebenso wie die an Parkettböden gewöhnten jungen Mädchen vor den Augen und inmitten jener Männer ihre Kleider gelassen hochheben, die ihre Hosen ebenfalls hinaufstülpen, um ihre vorschriftsmäßigen abend- und morgendlichen Wassertretübungen zu verrichten. Nach den koketten Blicken der ersten Tage sollen auch wir glauben, daß dies bloß eine... Kur sei! Punktum! Ja, sie lassen sich in diesem Zustand, also nackt bis zum Knie, Gruppenaufnahmen anfertigen!"

Aus ,,Orawitzaer Wochenblatt", Weihnachten 1993, herausgegeben von Tibor Lichtfuss

Weihnachten und das Kinderstädtchen


Erinnerungen von Marius Barbu
Jeder Geburtstag fügt dem Leben ein Jahr hinzu, und wenn ich mir die Summe der Jahre ansehe, die ich inzwischen angesammelt habe, stimmt mich das wehmütig. Doch schnell verflüchtigt sich die Wehmut, wenn Bilder der Erinnerung aufsteigen, Erinnerungen an die Zeit der Kindheit und Jugend, Zeiten, in denen ich noch nichts wußte vom Lauf der Welt, Zeiten bunter Träume. Heute weiß ich, daß auch die Erinnerungen etwas zu tun haben mit der Zeit, in der man gelebt hat und die ihre Spuren in uns hinterlassen hat, und daß z.B. jene, die nur zehn, zwanzig Jahre älter sind als ich, ganz andere Kindheits- und Jugenderinnerungen haben als ich, ein Anfang der 50er Jahre Geborener.
Eines der Bilder meiner Kindheitserinnerungen ist das winterliche Kinderstädtchen in meiner Heimatstadt Reschitz. Es wurde alljährlich im Dezember aufgebaut, dann, wenn es in Großmutters Küche bereits nach Weihnachtsgebäck duftete, wenn zu Hause geheimnisvoll von jenem Abend gesprochen wurde, an dem das Christkindl kommen und mich belohnen werde, wenn ich brav war. Und so kam es, daß in der Phantasie des Knirpses, der ich damals war, das Kinderstädtchen etwas zu tun hatte mit Weihnachten. Viele unserer Leser mögen den Kopf schütteln, wenn sie diese Zeilen lesen, war das Kinderstädtchen doch offensichtlich ein politischer Schachzug, mit dem die kommunistischen Machthaber eine jahrhundertealte christlich-kirchliche Tradition zerstören wollten, indem sie eine Art Traditionsersatz inszenierten. Aber kindliche Unschuld durchschaut solch böse Absicht nicht. In den 50er Jahren stand das kurzlebige Städtchen auf dem großen Platz beim Arbeiterheim. Es wurde in wenigen Dezembertagen aufgebaut, um Anfang Januar ebenso schnell wieder zu verschwinden. In den 60er Jahren wurde es in der Lunca Pomostului aufgestellt und noch später im Stadtteil Govindari. Dieser Ortswechsel spiegelt den demographischen und kommunalen Wandel der wachsenden und sich ausbreitenden Industriestadt wieder. Das Stadtzentrum lag in den 50er Jahren noch in der von unseren Ende des 18. und im 19. Jh. eingewanderten Vorfahren erbauten Altstadt. Es wurde dann nach und nach in die neuen Stadtteile verlagert. Und so kam das Kinderstädtchen schließlich in jenem Stadtteil zu stehen, den die Bewohner scherzhaft, sich der tiefern Bedeutung des Scherznamens aber durchaus bewußt, Govinju Mare nannten.
Doch kehren wir zurück zu den frühen Jahren meiner Kindheit, als das Städtchen für mich einen weihnachtlichen Reiz hatte. Eine riesige Tanne mit bunten Lichterketten stand mitten auf dem Platz. Überdimensionale, auf Sperrholzplatten gemalte Märchenfiguren standen auf der Stirnseite des Platzes. Natürlich fehlte auch der freundlich lächelnde alte Mann mit Bart, im roten Mantel, mit Pelzmütze auf dem Kopf und gefülltem Gabensack auf dem Rücken nicht. Davor ein Holzpodest für verschiedene Veranstaltungen, von Kindern und Erwachsenen dargeboten. Zwischen vielen kleineren Tannen Verkaufsbuden, mehr schlecht als recht ausgestattet, wie ich heute weiß, da ich die Weihnachtsmärkte hier gesehen habe. Damals aber hatte der Knirps, beim Anblick des seltenen Angebots leuchtende Augen. Die kindliche Begeisterung war Ausdruck der Lebensfreude, die unsere Seele genau so braucht wie der Körper die Luft zum Atmen. Für das Kind ist die Welt, ist das Leben einfach. Das Kind lebt im Augenblick. Darum fragte ich mich damals nie, warum in diese Weihnachtswelt Gedichte über Vaterland und Partei gehören. Ich konnte noch nicht erkennen, daß die Welt des kinderstädtchens eine ideologisch vorgefertigte war, daß man damit ein von der Politik vorgegebenes Erziehungsziel verfolgte. Ich ahnte nichts von der Hinterhältigkeit dieser Inszenierung. Heute weiß ich, daß sie Spuren in uns hinterlassen hat. Indem man uns, die wir in einer bescheidenen und abgeschlossenen Welt lebten, vorgaukelte sie sei besser als jede andere, betrog man uns um die Wahrheit. Es erging uns damit wie mit den sauren, oft schon geschrumpelten Orangen und den grünen, saftlosen Bananen ohne jedes Aroma, die man in den Buden des Kinderstädtchens kaufen konnte, wenn sie nicht gerade wieder einmal ausgegangen waren. Wir dachten, daß diese exotischen Früchte, die es nur um Weihnachten gab, immer und überall so aussehen und schmecken. Wir hatten keine Vergleichsmöglichkeiten. Und darum freuten wir uns, wenn wir welche bekamen, waren zufrieden in unserer Kinderwelt. Noch waren wir es...
Mit einem verständnisvollen Schmunzeln erinnere ich mich an die kindliche Begeisterung, mit der wir uns der Schaukeln, Wippen und des Ringelspiels bemächtigten, die man im Kinderstädtchen aufgestellt hatte. Ich denke mit Dankbarkeit an jene Männer, die das Städtchen aufbauten, um uns ein kindliches Vergnügen zu bieten, an Falussy Bacsi, der mit Farbe und Pinsel den Figuren ihre Buntheit verlieh, an meinen leider viel zu früh verstorbenen Schulfreund Binder Stefi, der in späteren Jahren, als bereits meine Söhne zu den Besuchern des Kinderstädtchens gehörten, die farbenprächtigen Kulissen gestaltete.
Ich weiß, es wird unter den Lesern dieser Zeilen, manche geben, denen das Kinderstädtchen nichts bedeutet, weil sie einer anderen Generation angehören, deren Kindheitserinnerungen ihren Ursprung in anderen Zeiten und anderen Lebensverhältnissen haben. Ich frage mich aber manchmal, ob die Aussiedlung für viele von uns nicht auch eine Flucht war vor der Schizophrenie einer Existenz zwischen Mos Gerila und Christkind.
Für mich gehört das Christkind ebenso zu Weihnachten wie der geschmückte Tannenbaum zu Hause in der guten Stube. Aber zu meinen weihnachtlichen Kindheitserlebnissen gehörte auch das Kinderstädtchen, das mich noch heute an die Unschuld des Kindes erinnert, das in seiner Naivität der Welt der Erwachsenen vertraut und noch unbeschwert seine ersten Schritte ins Leben geht. Und so hat diese Erinnerung auch etwas von dem, was uns später oft verlorengeht, etwas von der Botschaft der Geburt des Kindes zu Bethlehem, einer Botschaft der Hoffnung, die lautet:
Freut euch!

Bücher Tips






Humoristisches

Jan Cornelius: Meine Kusine Sabine und der Hamster Hailli-Gailli

Max und seine Kusine Sabine verbringen die Ferien bei Oma und erleben aufregende und lustige Abenteuer. So entstehen zwölf Geschichten voller Witz und Spannung, die die Herzen kleiner und großer Leser erfreuen. Ein Lesevergnügen für alle, die gerne lachen!
Den Autor, der aus Reschitz stammt, haben wir in Folge 71 unserer Verbandszeitung vorgestellt. Die witzigen Illustrationen stammen aus der Feder des Wiener Zeichners Klaus Pitter.
Das Taschebuch gibt's für nur 9,90 DM in jeder Buchhandlung zu kaufen.
 
 

Künstlerisches

Franz Kumher, Irene Niedermaier, Karin Strey: Zeichen des Aufbruchs - Spuren des Abschieds

63 deutsche Künstler und Künstlerinnen, die allein ihre Herkunft aus dem multinationalen und multikulturellen Raum Ostmittelund Südosteuropa verbindet, werden in einem Kunstband vorgestellt, der im Verlag Südostdeutsches Kulturwerk 1994 erschienen ist und für den Franz Kumher das Vorwort verfaßt hat.
Von Realismus, Expressionismus und Surrealismus bis zu Konkreter Kunst und Op-Art, von Architektur, Graphik, Malerei, Objektkunst und Plastik bis zu Bühnenbild, Design, Glasmalerei, Kunst am Bau, Textilkunst und Typographie reicht das Spektrum der hier zusammengeführten künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Jeder Künstler ist mit einem Werk vertreten. Dazu gibt es Informationen über seinen künstlerischen Werdegang, über Schwerpunkte seines Schaffens sowie über Ausstellungen und Ankäufe von öffentlicher Hand. Beachtlich ist die Zahl der Künstlerinnen und Künstler, die aus Rumänien stammen, auch solche, die im Banater Bergland geboren wurden oder zeitweise dort gelebt haben, finden sich in dem Band, angefangen mit Adolf Humborg (geb. 1847 in Orawitz, gest. 1921 in München), einem bekannten Maler des Biedermeier, ferner Viktor Stürmer (geb. 1914 in Karansebesch), Hildegard Klepper-Paar (geb. 1932 in Orschowa), Friedrich Schreiber (geb. 1936), der seine Kindheit in Reschitz verbracht hat, und Helmut Scheibling (geb. 1940), der in den 60er und 70er Jahren als Kunsterzieher in Reschitz tätig war und dort seine erste Ausstellung hatte. Natürlich sind auch die bekannten Banater Maler Stefan Jäger und Franz Ferch vertreten.
Der liebevoll gestaltete Band im Großformat ist ein Augenschmaus, nicht nur für Kunstliebhaber.

Bezug über:
HEROLD Druck- und Verlags-GmbH, Kolpingring 4, 82041 Oberhaching b. München,
Tel.: 089/61 3871-15, Fax: 089/61 3871-20.
 

Nachdenkliches

Kristiane Kondrat: Abstufungen dreier Nuancen von Grau

Es ist Kristiane Kondrats erster Roman. Er wurde auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Kristiane Kondrat ist das Pseudonym, unter dem Aloisia Bohn-Fabri bereits Erzählungen und Gedichte veröffentlicht hat. Ihre journalistischen Arbeiten -sie sind im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Süddeutschen Zeitung erschienen - zeichnet sie mit Aloisia Bohn. Die Schriftstellerin ist 1938 in Reschitz geboren, hat dort Kindheit und Jugend verbracht und nach dem Studium der Germanistik und Rumänistik in Temeswar als Journalistin bei der ,,Wahrheit" (später ,,Neue Banater Zeitung") gearbeitet. Seit 1973 lebt sie in der Bundesrepublik.
Unter ihren ersten Erzählungen, die in dem inzwischen vergriffenen Band ,,Vogelkirschen" erschienen sind, finden sich mehrere, die ihren Ursprung in Kindheitserlebnissen haben. Eine dieser Erzählungen  "Franzi-Onkel und die Quellen des Nils" konnten wir mit freundlicher Erlaubnis der Autorin in Folge 75, 76 veröffentlichen.
,,Abstufungen dreier Nuancen von Grau" ist ein Roman mit wenig äußerer Handlung. Nach einem Unfall liegt eine junge Frau, die Ich-Erzählerin, im Krankenhaus. Während des unfreiwilligen Aufenthaltes dort hat sie Zeit, sich an Vergangenes zu erinnern, die Menschen um sich herum zu beobachten, nachzudenken über sich und von ihr Erlebtes, über Menschen, denen sie in den verschiedenen Zeitabschnitten ihres Lebens begegnet ist. Davon lebt der Roman. Gegenwärtiges erinnert an Vergangenes, unterschiedliche Zeitebenen werden zu sich ständig verschiebenden Parallellen An der Wand des Krankenzimmers hängt ein Gekreuzigter. Er weckt Erinnerungen an Kirchenbesuche in der Kindheit, an kind liches Gottvertrauen, das von der Frau reflektiert wird. Und diese Reflexionen führen zurück in die Gegenwart. Wir erfahren etwas über den Kran kenhausalltag der Patientin, über den Prozeß der Genesung, zu der sie sich geradezu zwingt, indem sie, noch auf Krücken gestützt, das Krankenhaus ohne Erlaubnis verläßt, um den Hügel am Stadtrand zu erreichen.
Der mühsame Weg dahin ist Flucht und Befreiung zugleich. Flucht vor den Ängsten der Vergangenheit, den Ängsten des Lebens in einer Diktatur, Ängste, die bis in die Gegenwart nachwirken und von denen sie sich erst befreit fühlt, als sie ihr Ziel erreicht hat.
,,Weiß ohne Schatten..."  , mit diesen Worten beginnt der Roman -Erinnerungen an die Unbeschwertheit früher Kindheitstage. Dazwischen die ,,Nuancen von Grau" - all das, was ängstigt und unfrei macht. Und am Ende - ,,so viele Arten von Weiß" - ,,Ich hätte nie gedacht, ... daß ich so frei sein kann."
,,Abstufungen dreier Nuancen von Grau" ist ein Buch, das nachdenklich macht, bei dessen Lektüre man immer wieder innehält, weil man in den poetischen Bildern plötzlich Vertrautes erkennt oder Befremdliches. Beides regt zum Nachdenken an. Ein Buch für jene, für die Lesen mehr ist als Unterhaltung, Entspannung.

Der Roman ist im Buchhandel erhältlich.
 

Historisches

Karl Ludwig Lupsiasca: Dieses von Natur aus reiche Land.

Eine Geschichte des Banater Berglands in der Zeitspanne 1718-1855 1718-1855, das ist die Zeit, in der die Entwicklung der Bergorte im Banat von der Wiener Hofkammer bestimmt wurde. Die im Quellenverzeichnis angeführte Bibliographie bezeugt den Fleiß des Autors, erinnert aber auch daran, daß es bereits eine Reihe von Büchern zu diesem Thema gibt. Somit liegt die Frage nahe: Was kann einen Autor dazu veranlassen, dieser Reihe ein eigenes Buch hinzuzufügen? Rudolf Gräf gibt darauf im Vorwort eine ausführliche Antwort. Auf eine Feststellung, die jeder, der sich für Geschichte interessiert, gemacht haben dürfte, sei bereits an dieser Steiler hingewiesen, nämlich daß kein Geschichtsbuch alle
Fragen beantwortet, daß jeder Autor historisches Geschehen aus einer anderen Perspektive betrachtet und bewertet. Und je mehr man sich in die Geschichte eines Ortes, eines Landes, einer Epoche vertieft, um so mehr reizt es, eigene Antworten auf Fragen zu suchen und zu finden.
Karl Ludwig Lupsiasca beschäftigt sich seit Jahren mit der Industriegeschichte des Banater Berglands. Das Buch ist nicht seine erste Veröffentlichung dazu, aber es ist seine bisher umfangreichste. Zwei Eigenschaften sind in diesem Buch eine geglückte Symbiose eingegangen: Zur Sachlichkeit des an Präzisionsarbeit gewohnten Ingenieurs gesellt sich die in einem Berufsleben gewachsene Verbundenheit mit dem Objekt seiner historischen Studien. Dem sachlichen Blick auf die Fakten ist es zu verdanken, daß sich kein Hang zu irgendeinem der vielen -ismen ausmachen läßt, denen es weniger um Aufklärung, um Erhellung historischer Prozesse geht, sondern allzu oft darum, Geschichte, mehr oder weniger verdeckt, als Instrument politischer Indoktrination einzusetzen. In der emotionalen Bindung an das Banater Bergland dürfte die ungewöhnliche Form des Buches ihren Ursprung haben.
Sie kündigt sich schon im Titel an (Dieses von Natur aus reiche Land), der eher an Literatur erinnert, denn an Wissenschaft. Und so hält der Autor es auch mit den Kapitelüberschriften. Hierzu einige Beispiele: Wie wir aus denen einkommende Nachrichten gnedigst abnehmen haben können oder Des Wassers und des Feuers Kraft oder Eahnere Häuser haben's z'sammbrennt.
Unter solchen Überschriften erwartet man Geschichten, nicht Geschichte. Und doch ist das Buch primär ein Geschichtsbuch. Es bietet eine Fülle historischer Fakten, aber es erzählt auch Geschichten, die mit diesen Fakten etwas zu tun haben. Die Titel sind Zitate, oft historischen Quellen entnommen (Briefen, Protokollen etc.), was die altertümliche Sprache der ersten Überschriften unschwer erkennen läßt. Sie verleihen dem Buch jenen Hauch von Poesie, haben aber den Nachteil, daß sie die Benutzung des Buches als Nachschlagwerk erheblich erschweren, während der Inhalt des Buches eine solche Nutzung geradezu anbietet. Mit einem Titel wie Die Nomina Franziskus und Josephus beigelegt dürfte der in Heimatgeschichte einigermaßen bewanderte Leser zurechtkommen, denn er weiß, daß dies die Namen der 1771 in Reschitz errichteten Hochöfen sind. Aber solche Titel sind eine Ausnahme. Daß sich unter einem Titel wie Aus der Finsternis, in der er vergraben liegt ein interessantes Kapitel über die Goldgewinnung im Banat findet, dürfte selbst ein Historiker kaum vermuten. Zwar findet sich am Ende des Buches ein umfangreiches Orts- und Namensverzeichnis, doch kann dieses natürlich keinen Hinweis auf den inhaltlichen Zusammenhang geben, in dem der Orts- bzw. Personenname steht. Eine gute Übersicht bietet die ,,Zeittafel zur Ansiedlung des Banater Berg lands".
Die Arbeit ist vom Autor wohl bewußt eher als Lesebuch konzipiert, denn als wissenschaftliche Studie, daher auch die poetischen Kapitelüberschriften. Und so liest es sich auch: nie langweilig, oft spannend, aber nicht immer leicht, nicht zuletzt wegen der vielen historischen und technischen Details. Hat der Leser jedoch Interesse am Stoff, ist die Lektüre des Buches zweifellos ein großer Gewinn, denn es bietet viel Wissenswertes über die Geschichte des Banater Berglands in einer bestimmten Epoche, viele für jeden Lokalpatrioten interessante Informationen über jeden der Bergorte, und das auf eine Art, die etwas vom Zeitgeist jener Epoche vermittelt. Für das Buch ein Plus an Authentizität.

Das Buch wird während des Heimattreftens 1998 in Attendorn zum Kauf angeboten. Es kann aber auch schon jetzt bestellt werden bei:
Hans Wania, Tel. 089/ 67 023 81. Der Preis beträgt 20 DM (+ Versandkosten).
 

Autobiographisches

Heinrich Lauer: Kleiner Schwab - Großer Krieg

Für seinen Roman über die Flucht der Deutschen aus einem banatschwäbischen Dorf im Spätsommer 1944 erhält H. Lauer am 5. Dezember den Donauschwäbischen Kulturpreis der Stiftung des Landes Baden Württemberg.
Den lesenswerten Roman haben wir in Folge 67 vorgestellt. Er kann bestellt werden bei:
H. Lauer, Stanigplatz 4, 80933 München, Tel. 089 /314 68 05.

Nachrichten aus dem Banater Bergland

10 Jahre Kultur- und Erwachsenenbildungsverein ,,Deutsche Vortragsreihe Reschitza"

Die diesjährige deutsche Kulturdekade bot den adäquaten Rahmen für die Jubiläumsfeier des Vereins, der in den Jahren seit der Wende zum Motor des deutschen Kulturlebens im Banater Bergland geworden ist. Zehn Tage lang wurde mit einem abwechslungsreien Programm in allen Berglandorten, in denen Deutsche leben gefeiert. Den großen Aufwand an Veranstaltungen, der dieses Jahr in Reschitz betrieben wurde, honorierten die zahlreichen Teilnehmer, die bei den Feierlichkeiten in der Bersaustadt teilnahmen.

Eröffnet wurde die Dekade im kleineren Kreise im Foyer des Kreismuseums, wo eine Ausstellung die zehnjährige Entwicklung des Vereins nachvollziehbar machte ,,von der mühsam und widerwillig tolerierten Initiative im Herbst 1987... bis zum Dreh- und Angelpunkt des Südbanater Kulturlebens, als den man ohne Übertreibung den Verein heute bezeichnen kann", wie Werner Kremm in der ,,Banater Zeitung" schreibt. Die Vereinsgeschichte von den Schwierigkeiten des Anfangs bis hin zu den Erfolgen der letzten Jahre zeichnet auch ein Buch nach, das der damalige und heutige Leiter des Vereins, Erwin Josef Tigla, unter dem Titel ,,Im Banater Bergland" herausgegeben hat. Das Buch wurde anläßlich der Eröffnungsfeier vorgestellt. Ebenso ein zweites, ein Lesebuch zur Geschichte des Banater Berglands zwischen 1718-1855, das Dipl. Ing. Karl Ludwig Lupsiasca nach reichlichem Quellenstudium mit viel Sinn für relevante Details erarbeitet und für das er den poetischen Titel ,,Dieses von Natur aus reiche Land" gewählt hat. (siehe auch Buchtips!) Gäste aus dem In- und Ausland waren anwesend, aus Österreich (allein aus der Steiermark zwei Busse) und Deutschland (etliche ausgesiedelte Reschitzaer), auch Honoratioren wie der österreichische Botschafter Dr. Paul Ullmann, der zum Leidwesen der Bergländer, deren Sympathie er sich durch sein Engagement in dieser Region erworben hat, zum letzten Mal als Vertreter seines Landes in Reschitz weilte, Bürgermeister Mircea Popa, der in seiner ganzen Amtszeit stets hinter dem Verein stand, und der Präsident des Kreisrates Karasch-Severin, Sorin Frunzaverde, der aussprach, warum man heute von offizieller Seite die Aktivitäten des Vereins mit Wohlwollen begleitet: ,,Wir werden jederzeit, auch materiell, solcherart Initiativen fördern und unterstützen, die der europäischen Integration dienen und dem guten Zusammenleben vor Ort." So sang denn auch die Frauensinggruppe des Vereins - ganz im Sinne dieser Worte - gleich drei Hymnen: die rumänische, die des Banater Berglandes und die der Steiermark.

Im vollbesetzten Saal des Kulturhauses war dann am Samstag Nachmittag die große Eröffnungsfeier mit einem dreieinhalbstündigen Festprogramm. Tanzgruppen aus Reschitz, Ferdinandsberg, Dognatschka, Bokschan, Steierdorf und Orschowa boten deutsche Volkstänze, auch eine rumänische Tanzgruppe war dabei. Der Orawitzer Kirchenchor sang Volkslieder, die Steierdorfer hatten eine zünftige Blasmusik mitgebracht. Karansebesch, das 1998 die Kulturdekade eröffnen wird, war mit einer Jugendgruppe vertreten. ,,In den Grußworten wurden neben viel Selbstdarstellung auch gescheite Worte über den Verein, über seine regionale, interethnische und überregionale, ja sogar grenzüberschreitende Wirkung gesagt. Daß dies Wirken im Sinne der europäischen Integration sei, wurde dem Verein von Politikern wie Freunden bescheinigt", schreibt Werner Kremm. Auch die Verleihung des "Stefan-Jäger-Preises" stand auf dem Programm. Er wird jährlich vom Verein Banatia verliehen, einem Verein für internationale Kooperation. Prof. Dr. Karl Singer, Vorsitzender des demokratischen Forums der Banater Deutschen, überreichte den diesjährigen Preis der Reschitzaer Lehrerin Yvonne Christa Demenyi. Der Preis ist mit 1,2 Millionen Lei dotiert.

Während der Kulturdekade wurde noch manches geboten: die Bücherausstellung ,,Die Steiermark grüßt das Banater Bergland", die als Spende des Alpenländischen Kulturverbandes Südmark zu Graz der Bibliothek ,,Alexander Tietz" überlassen wurde, ein Platzkonzert  der  Bergknappenkapelle  Oberdorf-Bärnbach (Steiermark) im Reschitzer Stadtzentrum (Was ist eigentlich aus der Reschitzaer Werkskapelle geworden?), Ausstellungen mit Arbeiten von Anton Ferenschütz (Aquarelle), Jakob Neubauer(Holzschnitzereien), Gustav Hlinka (Gemälde), Werner Henn (Fotos), auch Autorenlesungen und Diavorträge gehörten zum Programm der Dekade. (Siehe dazu auch die folgenden Beiträge von Hans Wania und Werner Henn.) Nicht unerwähnt bleiben soll der Dia-Vortrag von Werner Henn, der seinen Worten (siehe sein Artikel ,,Heimat hier - Heimat dort" in unserer Verbandszeitung) auch Taten folgen ließ, und in seiner Geburtsstadt mit der Photoreportage ,,Reise durchs südliche Afrika" beim Publikum sehr gut ankam.

Hans Wania

 

Eine besinnliche Veranstaltung: die Weihe des renovierten Fliegergrabes

Das sogenannte Flieger-Grab auf dem großen Friedhof von Reschitz ist die letzte Ruhestätte von sieben deutschen Fliegern des Ersten und Zweiten Weltkrieges, in einer Stadt, in welcher es keine Kriegshandlungen gegeben hat, ein Ort, der an den Krieg erinnert. Das ,,Heldengrab", wie man es auch nannte, wurde zum Anziehungspunkt für alle, welche einen Angehörigen als Opfer des Krieges oder der Deportation beweinten, ohne dessen Grab zu kennen. Da es Tote katholischen und protestantischen Glaubens vereinte, war es seit Jahrzehnten auch ein Zeichen der Ökumene.
Vor etwa 40 Jahren ließ Msgr. Paul Lackner das Grab aus Mitteln der röm.kath. Kirchengemeinde letztmals restaurieren. Es wurde seither nur durch die Pflege einiger Reschitzer Bürger bescheiden instandgehalten. Die Renovierung war dringend erforderlich.
Die vollkommene Erneuerung des Grabes wurde - auf Anregung von E. J. Tigla - durch die Spenden des Österreichischen Schwarzen Kreuzes ermöglicht, eines Vereins für Kriegsgräberfürsorge. Schüler der Grazer Steinmetz-Berufsschule stellten die einzelnen Inschriftplatten her und spendeten sie den Reschitzaern. Die feierliche Grabweihe vollzog Dechantpfarrer Josef Csaba Pál, leider ohne den evangelischen Geistlichen von Reschitz.
In seiner Gedenkrede würdigte der Vertreter des Österreichischen Schwarzen Kreuzes die Bedeutung von Kriegsgräbern als Orte der Besinnung und inneren Einkehr, als Mahnmal auf den Weg in die Zukunft, sie seien nicht zur Verherrlichung der Kriege da, ,,wie manche das falsch deuten", betonte er. Trotz strömenden Regens nahmen Ehrengäste, Vertreter verschiedener Verbände sowie zahlreiche Bürger aus Reschitz an der besinnlichen Feier teil, dankenswerter Weise auch Herr Dr. Uwe Zorn, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar. Für eine würdige musikalische Umrahmung sorgte die Blaskapelle der Bergknappen aus Oberdorf-Bärnbach/Steiermark mit dem Bergmannslied ,,Schon wieder tönt vom Schachte her" und dem Lied vom toten Kameraden.

Hans Wania
Wolfsberg im Herbst ,97

,,Hau ruck! Hau ruck! Jetzt ziegt's fest! Paß auf, er fallt uns um! Bravo, er steht!" Applaus von den Zuschauern, Freude bei den Beteiligten, die es geschafft hatten, den Kirchweihbaum aufzustellen. Es hatte einiger Mühe bedurft und massiver Unterstützung von auswärts, denn alleine hätten die Wolfsberger den riesigen Tannenbaumstamm niemals aufstellen können.
Es sind nur noch wenige Wolfsberger übriggeblieben im Dorf. Leute aus der Umgebung, Neugierige aus Österreich und Deutschland sowie einige Weggezogene bilden heute die Mehrheit der Kirchweihfestbesucher. Die paar Einheimischen verlieren sich unter den Nostalgietouristen. Auf dem Ortsschild steht nun zwar neben Garina auch Wolfsberg, doch hört man heute kaum noch Deutsch auf den Straßen, das Rumänische ist allgegenwärtig. Und das war früher ganz anders.

Rückblick: Es war im Herbst 1977. In Wolfsberg herrschte Feiertagstimmung. Vor der Schule standen Wolfsberger Madl in ihren Trachten, die Buam bereiteten sich vor, den Kirchweihbaum aufzustellen, die Dorfmusikanten spielten einen feierlichen Marsch. Zwischen die zahlreichen Wolfsberger mischten sich einige Weidenthaler, Franzdorfer und Reschitzaer. Die Baseln standen, in ihre gestickten Tücher eingewickelt, vor der Kirche, die Männer versammelten sich vor Klaris Kneipe zum Frühschoppen. Alle warteten auf den großen Augenblick, wenn die Prozession, geleitet vom Dorfpfarrer, den Zug durchs Dorf beginnt. Die Wolfsberger strahlten mit der Herbstsonne um die Wette. Wir, die Zeitungsschreiber vom ,,Neuen Weg", freuten uns mit den Einheimischen, denn aus so einer Kirwa konnte man eine gute Story machen.
Heute, zwanzig Jahre später, stehe ich einsam in der kalten, kristallklaren Herbstluft und verfolge wehmütig die etwas gequälte Veranstaltung.
Ja, heute ist mehr Prominenz da als jemals zuvor. Der Bischof aus Temeswar zelebriert die Messe, offizielle Vertreter Rumäniens, der Bundesrepublik, Österreichs geben sich die Ehre, drei Fernsehteams und einige Hörfunkreporter berichten von der Veranstaltung. Doch irgendwas fehlt.
Sind es vielleicht die Arader Musikanten in ihren blauen Eisenbahnuniformen, oder ist es die Trachtengruppe aus Sathmar, vielleicht die schwäbischen Jungs und Mädls oder die aus Tirgu Mures, die irgenwie nicht hierher gehören? Sind es die vielen Fremden, die sich in die Prozession durchs Dorf einreihen?
Nein, es kann einem Dorf nur guttun, wenn es Beachtung und Zuspruch von anderen bekommt. Allerdings muß ein solcher Ort noch leben, und das nicht nur an Wochenenden, zur Ferienzeit oder bei Feierlichkeiten. Es fehlt das Dorfleben, die Dorfgemeinschaft mit ihrem Gemeinsinn und ihren gewachsenen Traditionen, die das Charakteristische eines Ortes ausmachen. Und das nicht nur in Wolfsberg.
Garina wird sicherlich dank der Touristen weiterleben. Wolfsberg hingegen hängt nur noch an deren Tropf.Werner Henn
 

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