Strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft 
des Banater Montangebietes
 
von Dr. Rudolf Gräf

-letzter Teil-
 

3. Das Zeitalter des Maschinenbaus (Ende des 19. und das 20.Jh.) Eine klare Trennlinie zwischen dem Zeitalter der Kohle und des Eisens einerseits und dem des Maschinenbaus andrerseits gibt es nicht. Der Übergang ist fließend. Auch im Zeitalter des Maschinenbaus spielen Eisen und Kohle noch eine Rolle. In gewisser Weise ist der Maschinenbau durch die Produktion von Eisen und Kohle bedingt. Um diese weiterzuentwickeln, braucht man Arbeitsmaschinen. Die ersten zwei Dampfmaschinen der Reschitzaer Werke wurden importiert. Doch schon 1846 baute man im Werk die erste Dampfmaschine für den Eigenbedarf. Damit war das Zeitalter des Maschinenbaus eingeleitet. 1885 waren bereits 160 Dampfmaschinen in den Banater StEG-Werken im Betrieb. Sie hatten eine Gesamtleistung von 9000 PS. Zugleich wurde auch die Stahlerzeugung modernisiert. Die StEG-Werke in Reschitza waren die ersten im damaligen Ungarn, die das Bessemer-Verfahren zur Stahlerzeugung angewandt haben (1868). Auch die ersten Martin-Öfen wurden hier gebaut (1876). Sie hatten den großen Vorteil, daß man das Alteisen wiederverwerten konnte.
Ein Markstein in der Geschichte des Banater Maschinenbaus ist die Herstellung der ersten Dampflokomotive 1872.
Am Ende des 19.Jh. gab es im Banater Montangebiet außer Bergbau auch eine beachtliche Eisen- und Stahlproduktion, es wurden Eisenbahnschienen, Brücken sowie Dampfmaschinen und Lokomotiven hergestellt. Erwähnt werden sollte, daß ab Mitte des 19.Jh. die Bedeutung der Werke in Reschitza und Steierdorf-Anina stetig zunahm, während die Bergorte, die im 18.Jh. durch die Gewinnung der Nichteisenerze eine wichtige Rolle gespielt haben (Orawitz, Dognatschka, Saska), an Bedeutung verloren.
Mit Beginn des 20.Jh. geht man dazu über, eine neue Energieform nutzbar zu machen, und zwar die Elektrizität. Als erste wurde die thermoelektrische Zentrale in Anina gebaut, 1903 - 1904 die hydroelektrische Zentrale ,Grebla' in Reschitz, und nachdem 1907 -1909 Staumauer und -see Breazova in der Nähe von Franzdorf entstanden waren, konnte man hier eine Elektrozentrale in Betrieb nehmen, die das Bergwerk in Sekul mit Strom versorgte.
Nach dem Ersten Weltkrieg wird die U.D.R. (Uzinele de Fier si Domeniile Resita) als Aktiengesellschaft gegründet. Die StEG bringt ihr Vermögen und ihr Kapital ein, das mit rumänischem Kapital aufgestockt wird. Durch die Übernahme der StEG wird die U.D.R. zur Besitzerin des größten Schwerindustriezentrums in Rumänien. Die Rolle der StEG innerhalb der U.D.R. wird in dem Maße kleiner, in dem andere Aktionäre ihre Anteile übernehmen, bis sie schließlich ganz ausscheidet. Die Strukturen der StEG werden allerdings von der U.D.R. weitgehend beibehalten. Sie bleibt eine Art ,,Staat im Staate", wie es auch die StEG war.
Die Werke erleben in der Zwischenkriegszeit einen erneuten großen Aufschwung. Es werden auch weiterhin die bereits genannten Produkte hergestellt. Zudem wird die Produktion zusätzlich erweitert durch den Bau von Elektromotoren und Ausrüstungen für die Erdölindustrie. Rüstungsgüter werden jetzt für die rumänische Armee hergestellt.
Eine bedeutende Rolle spielt in dieser Zeit auch der Lokomotivenbau. Zwischen 1919 - 1944 werden in Reschitz 1402 Lokomotiven repariert, zuerst in der alten Maschinenfabrik und nach Fertigstellung der Lokomotivenfabrik 1923 dort, wo auch 566 neue Lokomotiven gebaut werden.
In der Abteilung Brückenbau werden nun auch andere Metallkonstruktionen hergestellt. Eine bemerkenswerte Leistung war die Metallkonstruktion für den Verwaltungspalast der C.F.R. in Bukarest 1936 - 1940, eine geschweißte Konstruktion, wie überhaupt Reschitz für die Qualität seiner Schweißarbeiten bekannt war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es erneut zu Änderungen in den Besitzverhältnissen der Werke. Aktionär wurde nun unter anderen auch eine sowjetische Gesellschaft. 1948 wurde die U.D.R. verstaatlicht. Damit begann die fatale Entwicklung in Richtung Planwirtschaft und eines rigiden Dirigismus. 1949 wurde das Reschitzaer Werk, das inzwischen in rumänisch-sowjetischem Besitz war, in zwei geteilt. Die beiden Werke wurden als Sovrommetal und Sovromutilajpetrolifer weitergeführt. 1954 zog sich die Sowjetunion aus den Unternehmen zurück, sie blieben im Besitz des rumänischen Staates und wurden wieder vereint. Als Metallurgisches Kombinat Reschitza (C.M.R.) bestanden sie bis 1962, als sie erneut geteilt wurden, und zwar in die noch heute bestehenden Großbetriebe U.C.M.R. (Maschinenbauwerk) und C.S.R. (Siderurgisches Kombinat). Es würde zu weit führen, auf alle Veränderungen einzugehen, die die einstige U.D.R. erfahren hat. Erwähnt werden sollte vielleicht, daß die Schraubenfabrik Anina administrativ Teil der Reschitzaer Werke blieb.
Im Rahmen der Industrialisierungspolitik der kommunistischen Regierungen wurden die Werke des Banater Montangebietes weiter vergrößert, die Produktpalette wurde erweitert. In Reschitza werden nun auch Dieselmotoren für Eisenbahnlokomotiven von China bis Amerika hergestellt (5409 Stück), ferner Schiffsmotoren (140) und hydroenergetische Aggregate (48) - Turbinen und Generatoren, auch für die Zentrale am Eisernen Tor. Andrerseits werden zum Teil hochwertige Technologien und Produktionen ins Altreich transferiert. So wurde bereits 1954 das Schmieden großer Werkstücke nach Bräila verlagert, die Produktion von Abzweiggleisen und Weichen erst nach Bokschan, dann aber nach Buzäu. Die Achsen für Eisenbahnwaggons werden seit Ende der 50er Jahre in Bräila hergestellt, die Produktion von elektrischen Transformatoren wurde nach Craiova verlegt.

4. Die Lage nach 1989. Nach der politischen Wende stand - nicht nur im Banater Bergland - eine superzentralisierte, 40 Jahre lang planwirtschaftlich gelenkte Industrie unvorbereitet vor der Aufgabe, unter völlig veränderten Bedingungen zu überleben. Ihre Manager hatten keine Erfahrung mit der freien Marktwirtschaft. Hinzu kam, daß der Staat sich schwertat, auf seine traditionelle Führungsrolle in der Wirtschaft zu verzichten. Die Betriebe blieben abhängig von den Entscheidungen in den Ministerien. Auch wird, so scheint es, die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnene Standortpolitik fortgesetzt, indem Betriebe im Altreich besser bedacht werden, wenn es darum geht, von staatlicher Seite in den Genuß von Förderungsmitteln zu kommen. Nachdem man 40 Jahre lang gewohnt war, Aufträge ,,von oben" auszuführen, fehlte es Anfang der 90er Jahre plötzlich an Aufträgen, Kundenzahlungen verzögerten sich, es kam zu finanziellen Engpässen, Löhne konnten nicht fristgerecht gezahlt werden, über 2000 Beschäftigte mußte allein die U.C.M.R. bis 1994 entlassen, die C.S.R. hat ihre Belegschaft um mehr als die Hälfte reduziert. Sie beschäftigte 1994 im Jahresdurchschnitt noch 5053 Menschen. Es war eine Situation entstanden, wie man sie seit der Wirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre nicht mehr gekannt hatte.
Die wirtschaftliche Lage der Großbetriebe zeigte Auswirkungen auf die Bevölkerungszahl. Sie ist im Kreis Karasch-Severin von 407.940 im Jahre 1989 durch Abwanderung auf 372.850 am 1. Juli 1993 zurückgegangen. Die meisten Beschäftigten waren auch 1993 aber immer noch in der Industrie tätig, und zwar 60.362, in Landwirtschaft und Forstwesen arbeiteten 38.721 Menschen, die anderen im Bauwesen und in den verschiedenen Dienstleistungsbereichen. Was die Industrieproduktion betrifft, befand sich der Kreis Karasch-Severin auf Platz 29 in der Reihe der 39 Kreise Rumäniens. Nur im Bereich der Förderung von Kupfererzen und der Herstellung von Kupfer (in Neu Moldowa und Rußberg) befand er sich auf Platz eins, in der Stahlproduktion auf Platz vier.
Die Voraussetzungen, die einst eine industrielle Entwicklung im Banater Bergland ermöglicht und gefördert haben, existieren nicht mehr. Es gibt keine billigen Energiequellen mehr, nur noch wenige Erzlagerstätten. Die Industrieanlagen sind größtenteils veraltet. Aber es gibt billige und relativ gut ausgebildete Arbeitskräfte und ein gut ausgebildetes technisches Personal. Was fehlt ist das, was der Historiker Fernand Braudel ,,take off" nennt, die Ideen zum Start in eine neue technologische Ära, sowie die finanziellen Mittel für eine Modernisierung.
Das Banater Montangebiet, einst Grenzregion des Habsburger Reiches, ist nach 1918 zu einer Grenzregion Rumäniens geworden. Es hat in über 200 Jahren aber stets über seine Grenzen hinaus gewirkt. Es hat im Laufe von Jahrzehnten zur Industrialisierung Rumäniens beigetragen, durch seine Produkte, durch die Menschen, die mit ihrem Wissen beigetragen haben, andere Industriestandorte im Lande aufzubauen. Nun ist zu befürchten, daß, wenn es nicht bald zu einer Änderung der Verhältnisse kommt, diese alte Industrieregion in Zukunft allein das Interesse der Montanarchäologen und der Wirtschaftshistoriker zu wecken vermag. Noch existieren die Werke. Nach Umstrukturierungen auch auf Führungsebene bemüht man sich, sie zu erhalten. Es gibt erste Erfolgsmeldungen, aber über den Berg ist man noch lange nicht.
 
 

Der Autor ist Historiker am Museum des Banater Montangebietes in Reschitz

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