Des Schusters Erbe
von Werner Henn

Es stand vor längren Zeiten ein Werk so grau und schwer,
Weit rauchten seine Schlote bis zum Semenik her,
Und ringsum klare Quellen, Gewässer kühler Kranz,
Drin sprangen die Forellen im Bergbachwasserglanz.

Die Leut im Tal der Bersau, ein witzigs Völkelein,
Sie lebten froh und lustig so in den Tag hinein.
Sie sangen freche Lieder von Feiern, Lieb und Lust,
malochten und spazierten und hatten keinen Frust.

Regiert hat dann im Lande der Schusterlehrling lang,
Dummheit, Angst und Hochmut mit seinem Thron verband,
Und was er sprach war Geißel und was er schrieb war Blut,
Das Volk in Angst und Bange bekam so langsam Wut.

Schon bald verließen Männlein mit Weib die Heimat dort,
Und suchten in der Weite nach einem Zufluchtsort.
Es wurde immer dunkler und leerer in der Stadt,
Der stumme Haß auf Führer, der machte auch nicht satt.

So zogen sie von dannen, die einst so frohen Leut,
Sie trauerten im Stillen nach der verlornen Zeit.
Es dauerte 'ne Weile bis in der weiten Fern
Man fand ein Haus mit Garten, so wie man's hatte gern.

Der bittre Fluch der vielen, der Himmel hat's gehört.
Die Mauern liegen nieder, das ganze Land zerstört.
Die Jahre sind vergangen, die Schurken ist man los,
Nur in der alten Heimat findet man keinen Trost.

Das stolze Werk von einsten, liegt rostig, braun und leer,
Kein Mensch im weiten Lande kennt die Geschichte mehr.
Nur noch die schlanken Schlote zeugen von einstger Pracht,
Auch diese, schon geborsten, könn' stürzen über Nacht.

(Ähnlichkeiten mit lebenden oder schon verstorbenen Personen, Ländern
und Orten sowie der Ballade von Ludwig Uhland sind nicht rein zufällig.)
 

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