Folge 98, Mai-Juni 2001

Gedenken an die Deportation in den Baragan
von Hans Wania

Anläßlich des 50. Jahrestages der Deportation in den Baragan organisierte die Landsmannschaft der Banater Schwaben in Zusammenarbeit mit dem Haus des Deutschen Ostens in München eine Gedenkveranstaltung, an der etwa 900 Landsleute aus allen Teilen Deutschlands teilnahmen, unter ihnen an die 400 ehemalige Deportierte, die sich trotz schmerzlicher Erinnerungen über das Weidersehen freuten. 

Die Veranstaltung begann mit einem wissenschaftlichen Symposion im großen Festsaal des Pschorr-Kellers auf der Theresienhöhe. Jakob Laub, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft, betonte in seiner Eröffnungsrede, daß es wichtig sei, die Erinnerung an begangenes Unrecht wachzuhalten, um zu mahnen, daß Deportation als Mittel der Politik zu ächten sei. Als Vertreter des Schrimherrn, des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber, nahm Ministerialdirigent Dr. Singbartl an der Gedenkfeier teil. Er wies darauf hin, daß ohne das Bekenntnis zur geschichtlichen Wahrheit und die Übernahme der Verantwortung für das in der Vergangenheit geschehene Unrecht, eine dauerhafte Aussöhnung und Verständigung zwischen den Völkern nicht möglich sei. Die Botschaft des rumänischen Staatspräseidenten Iliescu überbrachte Konsul Grigoras.

An der Podiumsdiskussion nahmen Historiker und Zeitzeugen teil. Josef Wolf vom Institut für donauschwäbische Geschichte in Tübingen, Dr.Smaranda Vultur und Dr. Miodrag Milin von der West-Universität Temeswar, Pfarrer Reinhold Lovasz von der Diözese Temeswar und Wilhelm Weber, Herausgeber einer Dokumentation über die Baragan-Deportation, legten Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit dar. Die Schriftstellerin Julia Schiff las aus ihrem kürzlich erschienen Roman "Steppensalz", in dem sie eigene Erlebnisse als ehemalige Deportierte schildert.

Zu sehen war auch eine Dokumentationsausstellung mit Fotos, welche ehemalige Deportierte zur Verfügung gestellt haben und die einen Eindruck von ihrem Leben im Baragan vermitteln. Sie wurden ergänzt durch Bilder, welche das Gebiet heute zeigen. Die Ausstellung war anschließend auch im Haus des Deutschen Ostens zu sehen. 

Die Deportation erfolgte aufgrund des Beschlusses Nr. 344 vom 15. März 1951 des Ministerrats der Rumänischen Volksrepublik, in dem es heißt: "Das Ministerium für Innere Angelegenheiten wird ermächtigt, auf Grundlage dieses Beschlusses die Umsiedlung jedweder Personen aus überbevölkerten Gebieten zu verfügen, deren Anwesenheit in diesen Zentren nicht gerechtfertigt ist, sowie die Umsiedlung aus jedwelcher Ortschaft jener Personen anzuordnen, die durch ihre Einstellung dem werktätigen Volk gegenüber den Aufbau des Sozialismus in der rumänischen Volksrepublik schädigen. Den Umgesiedelten kann in jeder Ortschaft Zwangsaufenthalt verordnet werden." Unterzeichnet ist dieser Beschluß von Teohari Georgescu, Dumitru Coliu, Iosif Chisinevski, Vasile Luca, Ana Pauker und dem Generalsekretär des Zentralkomitees des Rumänischen Arbeiterpartei Gheorghe Gheorghiu-Dej. Proteste gegen diesen Beschluß, welcher die in der Verfassung des Landes garantierten Reschte der Staatsbürger mißachtete, wurden auf internationaler Ebene zwar geäußert, u. a. auch im Deutschen Bundestag im September 1951, allerdings ohne Erfolg.

Aus einer 25 km breiten Sperrzone entlang der Grenze zu Jugoslawien wurden 40.320 Personen unter strengster Überwachung etwa 600 km nach Osten transportiert und dort auf freiem Feld ausgesetzt. Unter den Betroffenen waren neben Rumänen, Bulgaren, Ungarn, etwa 2000 Serben und 10.000 Deutsche, unter letzteren Landsleute, welche erst Ende 1949 aus den Lagern in der Sowjetunion heimgekehrt waren. Im Banater Bergland waren Deutsche in Orawitz, Saska, Moldowa und Orschowa von der Baragan-Deportation betroffen.
Folgende Statistik gibt Aufschluß über die soziale bzw. politische Struktur der betroffenen Personengruppen. Demnach wurden deportiert: 19.034 Großbauern und Gastwirte, 12.034 Flüchtlinge aus Bessarabien und Makedonien, 2.344 Angehörige der Waffen-SS und deren Familien, 1.330 fremde Staatsbürger, 1.054 Tito-Sympathisanten, 732 Personen mit staatsfeindlichen Aktivitäten, 637 Grenzschmuggler, 590 entlassenen Beamte und Angehörige des rumänischen Militärs, 341 politische und zivilrechtliche Straftäter, 257 ehemalige Führungskräfte der Deutschen Volksgruppe, 162 Großgrundbesitzer und Fabrikanten, 21 ehemlige Geschäftsleute mit Verbundungen zum Westen. 

Die Deportierten wurden in einem Gebiet an der unteren Donau zwischen Calarasi und Galati unter freiem Himmel abgeladen. Dort gründeten sie 18 neue Orte, welche bereits parzelliert waren. In mühevoller Arbeit errichteten sie  Häuser aus Erde, in welchen sie fünf Jahre lang lebten. Heute sind die Häuser - bis auf wenige - verlassen und zerfallen wie die Gräber der Toten, unter ihnen das der kleinen Adi G. aus Orawitz, welche - erst wenige Monate alt - mit ihren Eltern deportiert wurde und unter den harten Lebensumständen keine Überlebenschance hatte.

Dr. Smaranda Vultur sagt dazu: "Es ist merkwürdig, daß dieses vom kommunistischen Regime begangene Unrecht bis auf den heutigen Tag weder durch einen öffentlichen Prozeß verurteilt wurde, noch durch eine offizielle Entschuldigung des Staates bei den Betroffenen eine moralische Wiedergutmachung erfahren hat." 
Den Abschluß der Veranstaltung bildete eine ergreifende Gedenkmesse in der St.Ruppert-Kirche. In das Gebet der Überlebenden wurden auch die Toten eingeschlossen.

"Deportationsgeschichte ist und bleibt Leidensgeschichte", sagte der Historiker Josef Wolf. Für die Deutschen Rumäniens waren Rußland- und Baragan-Deportation schicksalsbestimmend. Die Frage nach dem Warum bleibt eine der vielen unbeantworteten Fragen des an Unrecht und Leid so reichen 20. Jahrhunderts.
 
 

 

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