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Folge 98, Mai-Juni 2001 |
Wenn Freitag, der 13. auf einen Montag fällt von Werner Henn Ich hatte mir einiges vorgenommen für diesen Montag Morgen. Ich stand so gegen acht Uhr auf. Da waren alle Familienmitlgieder schon in der Schule. So konnte ich mich also in Ruhe auf den Tag vorbereiten. Kaum sitze ich am Schreibtisch, da klingelt das Telefon. Meine Tochter ist dran. "Papa, ich hab den Hausschlüssel vergessen.. Kannst du ihn mir bitte in die Schule bringen?" will sie wissen. "Natürlich kann ich das", antworte ich. Das heißt meinen Tagesablauf umstellen, denn ich muß nun auch den Weg zur Schule einplanen. Also muß ich 20 Minuten früher aus dem Haus gehen Ein Blick auf die Uhr. Ich bin schon ziemlich spät dran! Vorlagen, Papiere, Dokumente, ach, ja, die Diskette nicht vergessen, eine Flasche Mineralwasser, einen Apfel, ein Handtuch, ein sauberes Hemd und einen Pullover - alles in die Tasche gepackt und schnell in die Garage aufs Fahrrad geschwungen. Dabei in der Eile einen Eimer voller Farbe übersehen. Aua, im Nu breitet sich ein kleiner weißer See zu meinen Füßen aus und bahnt sich einen Weg zur Straße. Fluchend stapfe ich durch den See. Meine Schritte hinterlassen weiße Spuren. Zeit zum Aufräumen habe ich keine. Ich muß mich beeilen, will ich die Schulpause noch erreichen. Welchen Weg soll ich nehmen? Den längeren Fahrradweg der Straße entlang oder den kürzeren, der über die Fußgängerbrücke führt? Meinen Kindern habe ich den Weg über die Brücke verboten, weil die Auffahrtrampen zu steil sind, um sicher mit dem Fahrrad rüberzukommen. Ich aber bin kein Kind. Also kurz und gut, ich wähle den kürzeren Weg. Vor der Steigung steige ich ab und schiebe das Rad die Rampe hoch. So schlimm ist das Ganze doch gar nicht, denke ich und setze mich, oben angelangt, wieder aufs Rad, um es nicht hinunterschieben zu müssen. Schließlich habe ich doch Bizikl-Erfahrung auf dem Driglovetz gesammelt. Ich war also erfahrenen Mountainbiker, lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Eines aber habe ich nicht bedacht: die metallene Oberfläche der Abfahrtrampe. Auf ihr beginnt mein Vorderrad nämlich zu rutschen. Ich werde immer schneller. Macht auch nichts, ich bin ja gleich unten, kann ich gerade noch denken und da war ich auch schon unten, ganz unten. Kaum hat das Rad die Asphaltdecke berührt, da greift die Bremse nämlich wieder, das Rad bleibt stehen, und ich segele im Einklang mit den physikalischen Gesetzen über den Lenker direkt auf die Straße. Elegant war mein Abgang bestimmt nicht. Deshalb rapple ich mich ganz, ganz schnell wieder hoch. Ich will keinen Applaus für meine akrobatische Einlage. Mein linkes Knie ist aufgerissen, Blut klebt an der neuen Jeans - die aber hat den Härtetest bestanden. Schnell das Fahrrad aufgerichtet, den Lenker geradegebogen , die Tasche zurück auf den Gepäckträger und ab in die Schule und - ganz wichtig! - ja nichts anmerken lassen. Ich komme gerade noch rechtzeitig an, gebe den Schlüssel ab und habe es eilig zu verschwinden, denn ich muß nun den gleichen Weg zurück und zum Rathaus, um dort einige Unterlagen abzugeben, ehe ich den Berg hochfahre zum Funkhaus. Jetzt nehme ich natürlich den etwas längeren Fahrradweg. Bald schon muß ich über mein Mißgeschick laut lachen und strample mir den Frust aus dem Leib, indem ich wie verrückt in die Pedale trete. Das Rathaus schon im Visier, "gebe ich Gas". Ich sehe das Festspielhaus auf mich zukommen und im letzten Augenblick auch ein Auto, dessen Fahrerin mich anscheinend nicht gesehen hat. Ich bremse kräftig und kann der A-Klasse gerade noch rechtzeitig ausweichen. Der Fahrerin aber schicke ich einige rumänische Nettigkeiten hinterher. Sie beginnen mit dumne..., enden aber sicher nicht mit ...avoastra. Das ist ja diesmal gerade noch gut gegangen, denke ich erleichtert, also ist die heutige Pechsträhne vorbei. Ich stelle mein Fahrrad vor dem Rathaus ab und greife zur Tasche mit den Unterlagen. Komisch, hab ich so stark geschwitzt, daß sogar die Tasche feucht wurde? Ich begrüße Frau Körner, greife in die Tasche, um ihr die Unterlagen zu übergeben, und - erstarre zur Salzsäule. Vorsichtig ziehe ich meine Hand aus der Tasche und schaue hinein. Ist Weihnachten mitten im Sommer? Silbrig glitzern mir Millionen von winzigen Sternlein entgegen. Meine Mineralwasserflasche hat sich pulverisiert. Der Glasstaub hat sich auf Handtuch, Hemd und Apfel gelegt, und der flüssige Flascheninhalt hat die Saugfähigkeit meiner Dokumente auf die Probe gestellt. Ich lege der verdutzten Frau durchtränktes Papier auf die Fensterbank. "Lassen Sie es trocknen, danach können Sie es fotokopieren", rate ich ihr. "Dann sieht es wie neu aus." Frau Körner nickt nur und denkt sich wahrscheinlich ihren Teil dazu. Ich wieder aufs Rad und den
Berg zum Funkhaus hoch. In meinem Büro beginne ich erst einmal meine
Tasche auszumisten und die nassen Sachen zum Trocknen aufzuhängen.
Der Pullover über der Stuhllehne, das Hemd auf einem Kleiderbügel,
das Handtuch quer über den Schreibtisch gelegt, beginne ich die Glsscherben
einzeln aus der Tasche zu puhlen, was sich viel schwieriger erweist als
angenommen. Dabei stelle ich erfreut fest, daß die mitgenommene PC-Diskette
die Mineralwasserdusche offenbar heil überstanden hat. Aha, denke
ich, da kann ich ja das ganze Zeug nochmals schön sauber ausdrucken.
Ich starte einen Versuch auf meinem Laser-Drucker, bin aber mit der Qualität
der Grafiken nicht zufrieden. Auch sollte das Ganze größer sein.
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