Folge 98, Mai-Juni 2001

Das einzig Beständige ist der Wandel
Festansprache der Bundesvorsitzenden Herta Drozdik-Drexler 
an der Gedenktafel in Bad Mitterndorf

Werte Gäste, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute aus dem Banater Bergland!

Im Namen des Bundesvorstandes heiße ich Sie zu unserem diesjährigen Heimattreffen in Dab Mitterndorf herzlich willkommen.

Es ist ein für unseren Heimatverband bedeutsamer Ort, an dem wir uns heute versammelt haben. 1981 waren über 1400 Banater Berglanddeutsche aus der Bundesrepublik Deutschland und aus Österreich, ja sogar aus den USA und Kanada zu einem ersten Heimattreffen nach Bad Mitterndorf gekommen. Am Ehrenmal in der Ortsmitte hat eine Ehrengarde Kränze niedergelegt - als Geste des Gedenkens an unsere Vorfahren. 

1996 feierten wir in Bad Mitterndorf das 15jährige Bestehen unseres Heimatverbandes. An seine Gründung erinnert seither eine Gedenktafel. Anläßlich ihrer Enthüllung hielt hier der erste Bundesvorsitzende des Heimatverbandes Julius Baumann die Festansprache. Er und sein Nachfolger im Amt Georg Pischl sind heute nicht mehr unter uns. 

Um so mehr freuen wir uns, daß wir heute in unsere Mitte Landsleute begrüßen können, die schon beim ersten heimattreffen dabei waren und die zu den Gründungsmitgliedern des Heimatverbandes gehören. Ich begrüße sehr herzlich Michael Botscha, Ladislaus Dubovsky, Anton Kortik, Elsa Quitter und Ignaz Stubner.

Den Landsleuten, die den Heimatverband gegründet haben, die ihm über Jahre die Treue gehalten haben, die bei jedem Heimattreffen dabei waren, verdanken wir, daß wir heute hier 20 Jahre Heimatverband feiern. viele von ihnen sind heute nicht dabei. Für manche ist die weite Reise zu beschwerlich geworden. andere haben uns für immer verlassen. In einer Minute des Schweigen wollen wir unserer verstorbenen Verbandsmitlgiedser gedenken. Ich bitte Sie, sich dafür zu erheben. 

Die Gegend um Bad Mitterndorf ist aber auch noch aus einem anderen Grund für uns geschichtsträchtig. 
Nach den Türkenkriegen kam das Banat 1718 an Österreich. Die Wiener Hofkammer beschloß, die Bodenschätze des Berglandes auszubeuten und brachte dazu Bergleute aus Schwaz in Tirol nach Orawitz. Es war der Anfang einer erfolgreichen Industriegeschichte. 

Kürzlich ist das Familienbuch von Steierdorf erschienen. Es ist ein wissenschaftlich anerkannter Nachweis der Herkunft unserer Vorfahren. Der 24.Juni 1773 gilt als Gründungstag von Steierdorf. Es ist der Tag, an dem die ersten Siedler jenen Ort im Urwald des Banater Berglands erreichten, wo sie ihr Dorf errichteten. Und weil die meisten von ihnen Steirer waren, nannten sie es Steierdorf. In den alten Kirchenmatrikeln ist nachzulesen, woher sie kamen. Admont, Eisenerz, Schladming, Gosau, Hallstatt, Goisern, Ischl, Bad Aussee sind als Herkunftsorte der ersten Siedler vermerkt. Die Orte finden sich auch in den Matrikeln anderer Bergorte aus dem 18.Jahrhundert. Es sind Orte im Umkreis von Bad Mitterndorf. Wir befinden uns also in einer Landschaft, zu der wir herkunftsmäßig eine enge Bindung haben.

Aber bekanntlich stammten unsere Vorfahren nicht alle aus der Steiermark und aus Tirol. Sie kamen auch aus anderen Gegenden des heutigen Österreich, sie kamen aus Bayern, Schwaben, Sachsen, Schlesien und aus anderen deutschen Landen. Sie kamen aus Ungarn - aus der Zips und aus der Slowakei, aus Böhmen und Mähren, auch aus Italien und Frankreich. Die Industrieorte des Banater Berglands wurden im Vielvölkerstaat der Habsburger  zu einem Schmelztiegel europäischer Völker, lange bevor Politiker von einem vereinten Europa sprachen.  Und so sind wir unserer Herkunft nach genau genommen eigentlich Europäer. 

Unserer Kultur nach aber sind wir Deutsche, denn die nichtdeutschen Siedler - Slowaken, Böhmen,  Italiener u.a. - die vor allem um die Mitte des 19.Jahrhunderts als Siedler in die Bergorte kamen, wurden von der dort bereits ansässigen deutschen Bevölkerung  im Laufe weniger Jahrzehnte assimiliert. Warum das so war, darauf soll hier nicht eingegangen werden, aber es bleibt festzuhalten, daß dieser Assimilationsprozeß sich ohne Zwang vollzog und daß alle daran beteiligten dadurch eine kulturelle Bereicherung erfahren haben.

Zurück zu Steierdorf. Es war als Waldarbeitersiedlung entstanden, um den wachsenden Holzbedarf des Bergortes Orawitz zu decken. Aber schon bald sollte es selbst ein bedeutender Bergort werden. Wie es dazu kam, das wissen alle Steierdorfer. Matthias Hammer - er stammte übrigens aus Mariazell - fand 1790 zufällig einen schönen schwarzen Stein im Wald. Es war Kohle von bester Qualität. 

1855 übernahm die österreichische StEG  den gesamten Besitz  der Wiener Hofkammer im Banater Bergland, und damit hielt das Industriezeitalter Einzug in die Region. Mit Bergbau, Hüttenwesen und Maschinenbau entstand hier das größte Schwerindustriezentrum Südosteuropas. 

Nachdem das Banater Bergland 1920 Rumänien zugesprochen wurde, setzte die U.D.R  diese erfolgreiche Industriegeschichte fort. 

An der rasanten technischen und wirtschaftlichen Entwicklung waren bis in jüngster Zeit deutsche Fachleute maßgeblich beteiligt. Das ist die große zivilisatorische und  historische  Leistung der Banater Berglanddeutschen. 

Die großen weltpolitischen Geschehnisse haben auch im Banater Bergland ihre Spuren hinterlassen. Allein im 20. Jarhundert waren dies Erster Weltkrieg, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Flucht, Rußlanddeportation, Kommunismus und die Befreiung davon sowie der darauf folgende gesellschaftliche Umbruch. Und nicht zu vergessen die Aussiedlung. Auf all das brauchen  wir nicht näher einzugehen, weil es uns aus eigenem Erleben bekannt ist.   Heute durchlebt die Region wieder schwere Zeiten. Bergwerke wurden geschlossen. Die Hüttenwerke sind von Schließung bedroht. Die Zukunft des Banater Berglands als Industrieregion ist ungewiß. 

20 Jahre Heimatverband, der Anlaß - so meine ich - rechtfertigt diesen Rückblick im Zeitraffer um deutlich zu machen, daß selbst in der relativ kurzen, nicht einmal 300 Jahre alten Geschichte der Banater Berglanddeutschen das einzig Beständige  der Wandel ist.

Unsere Vorfahren haben vor mehr als 200 Jahren  ihre angestammte alpenländische Heimat  verlassen und sich auf den Weg ins Ungewisse gemacht. Sie haben darin eine Chance gesehen, sich eine neue, eine bessere Existenz aufzubauen. Dem Banater Bergland, in das sie als Fremde gekommen waren, brachten sie durch ihre Arbeit Fortschritt und Wohlstand. Und ihnen wurden ihre neuen Wohnorte zur Heimat.

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts hat der Wandel der Zeiten eine neue Völkerwanderung in Europa ausgelöst, in deren Sog auch die Deutschen im Banater Bergland gerieten. Krieg, Flucht, Vertreibung, Aussiedlung - sie haben Millionen Menschen erneut den Mut zum Neubeginn abverlangt. 

Die Bundesrepublik Deutschland hat die moralische Verantwortung für die Kriegsfolgen übernommen und auch uns Deutschen aus dem Banater Bergland großzügig Chancen für einen Neuanfang geboten. Wir sind dem Land dankbar, daß es uns als seine Bürger aufgenommen hat und die meisten von uns fühlen sich inzwischen in diesem Land zuhause. Österreich, dem wir aufgrund unserer Herkunft und Geschichte verbunden sind, hat uns eine solche Chance leider nicht in gleich großzügiger Weise geboten. Doch haben auch hier viele Banater Berglanddeutschen nach dem Krieg ein neues Zuhause gefunden. Und sie sind heute längst Österreicher. 

Wir vom Heimatverband, zu deren Lebensgeschichte - wie  einst zu der unserer Vorfahren - auch ein  Neuanfang gehört, haben uns unter anderen zur Aufgabe gemacht, Zeichen zu setzen an Orten, die  an unsere Geschichte erinnern. Die Gedenktafel hier in Bad Mitterndorf erinnert an den Aufbruch unserer Vorfahren in den Osten  im 18. Jahrhundert und an unsere Rückkehr in den Westen im 20. Jahrhundert. Das Denkmal, das in erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen dem Forum der Banater Berglanddeutschen und dem Heimatverband sowie mit Unterstützung aus der Steiermark und der Stadt Reschitz errichtet werden konnte, erinnert an die Rußlanddeportation, dieses leidvollste Kapitel unserer Geschichte, und damit auch an unsere Existenz im Banater Bergland. Und im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm, im Land, in dem wir heute mehrheitlich leben, findet sich unsere Geschichte dokumentiert im großen Zusammmenhang donauschwäbischer, österreichischer, deutscher und europäischer Geschichte.

Was bleibt darüber hinaus? Hoffentlich unsere Fähigkeit zu Integration und Toleranz, unser Verständnis für und unsere Achtung vor anderen Völkern und Kulturen, unsere Bereitschaft, uns diesen zu nähern und uns damit vertraut zu machen. Es sind dies Eigenschaften, die man in der Zukunft mehr denn je brauchen wird, denn ohne sie wird es kein vereintes Europa geben. 

Toleranz und Respekt vor dem anderen, das haben alle Banater Bergländer im Laufe eines mehr als zweihundertjährigen Zusammenlebens gelernt. Und es scheint heute daraus etwas Neues zu wachsen, denn  trotz der massiven Auswanderung gibt es ein reges deutsches Kulturleben in manchen Banater Bergorten. Rumänische Jugendliche besuchen die deutschen Schulen, sind in den deutschen Kulturgruppen der Foren aktiv und pflegen den deutschen Volkstanz und das deutsche Volkslied. Mit wieviel Begeisterung sie dies tun, haben uns bereits die Jugendgruppen aus Ferdinandsberg und aus Reschitz gezeigt. Und wir freuen uns, daß bei unserem diesjährigen Heimattreffen die Steierdorfer Jugendtanzgruppe Gäste unseres Heimatverbandes sind. 

Im Namen des Bundesvorstandes wünsche ich allen Teilnehmern an unserem Jubiläumstreffen eine schöne, eine frohe Zeit in Bad Mitterndorf. 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
 
 
 

 

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