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Folge 96, Januar-Februar 2001 |
Anmerkungen zur Gründung von Roma-Klassen Christian Gitzing Seit alters her leben in Rumänien Roma. Die Bezeichnung "Roma" war allerdings nicht gebräuchlich. Nicht nur die anderen, auch sie selbst nannten sich "Zigeuner". Eine Statistik vom Ende des vorigen Jahrhunderts nennt für das Altreich 250.000, für Ungarn 150.000. Bei der Volkszählung 1930 bekannten sich in Rumänien 262.501 Personen als Zigeuner, 1956 waren es nur 104.216, 1966 nur noch 64.197, 1977 wieder 229.896 und bei der bisher letzten Volkszählung 1992 rund 450.000. Damit sind die Roma heute nach den Ungarn die zweitgrößte ethnische Minderheit in Rumänien. (Die Vertreter der Roma sprechen sogar von 2 Millionen, was aber weit übertrieben scheint.) Wann und woher die Zigeuner
ins Banat kamen, ist bis heute nicht genau erforscht. Griselini, der im
Auftrag des Wiener Hofes das Banat bereist hat, beschäftigt sich im
sechsten Brief seiner "Versuche einer politischen und natürlichen
Geschichte des Temeser Banats" eingehend mit dem Ursprung und der Lebenswiese
der Wanderzigeuner sowie den Bemühungen, sie seßhaft zu machen.
Er kommt zu dem Schluß, daß sie eine große Ähnlichkeit
(Aussehen, Lebensweise, Gewohnheiten, Beschäftigung) mit den Ägyptern,
Äthiopiern und Trogloditen haben. Sie könnten Nachkommen dieser
Völker sein. (Andere Forscher vermuten ihre Herkunft aus Indien.)
Ihre Sprache hat keine Ähnlichkeit mit europäischen Sprachen.
In ungarischen Annalen werden sie 1417 zum erstenmal erwähnt. Sie
kamen also bereits vor dem 15.Jh. in kleinen oder größeren Gruppen
über den Vorderen Orient und den Balkan in die Donaufürstentümer,
nach Ungarn und Böhmen. Nach Griselini lebten 1774 über
5.200 Zigeuner im Banat. Bis um die Mitte des 20.Jh. waren sie Goldwäscher,
Kupferschmiede, Roßhändler, Musikanten, Löffelschnitzer
und in den Dörfern auch Kuh- und Schweinehirten.
Bei der Volkszählung 1977 bekannten sich in Reschitz 1.787 Personen als Roma, 1992 waren es 3.624. (Einige gaben sich als Deutsche aus und wollten dafür eine amtlichen Bescheinigung, die man ihnen allerdings verweigerte.) Die Roma-Kinder besuchten die rumänischen Schulen in ihrem Wohnviertel. In Reschitz waren dies vor allen die Allgemeinschule Nr. 1 (Betonschule und Arbeiterheim) und die Schule auf der Lend. Im Schuljahr 1983-84 waren es in der Allgemeinschule Nr. 1 insgesamt 88 Schüler, und damit etwa 10 % der Gesamtschülerzahl. Die Grundschulklassen I - IV besuchten 57 Roma, die Mittelstufe (Klassen V - VIII) 31. Der Hauptgrund für die erheblich kleinere Zahl der Mittelstufenschüler ist der unregelmäßige Schulbesuch eines Teils der Roma-Kinder, wofür in erster Reihe ihre Eltern verantwortlich waren. Von einer Benachteiligung der Roma durch die Lehrer oder durch andere Schüler kann nicht die Rede sein. Daß andere Kinder im Schulhof Roma-Kinder angriffen, habe ich nie gesehen. Umgekehrt kam es schon mal vor. Aber es gab unter den Roma-Kindern auch einige gute Schüler, die nicht nur die Grundschule, sondern auch Berufsschule oder Lyzeum und Hochschule mit Erfolg absolviert haben. In den letzten Jahren haben
sich die Roma in Rumänien zunehmend als eigenständige Minderheit
artikuliert. Heute gibt es die "Demokratische Union der Roma", die für
ihre Rechte eintritt. Und nun gibt man ihnen per Gesetz zum erstenmal die
Möglichkeit, eigene Schulklassen einzurichten.
In Reschitz werden 45 Roma-Kinder in drei Klassen an der Allgemeinschule Nr. 1 unterrichtet.. Aus zwei Gründen dürfte man sich für diese Schule entschieden haben. Die Schule liegt in einem Wohngebiet, in dem heute viele Roma-Familien leben. Durch die Verlegung der deutschen Abteilung 1992 an das jetzige "Diaconovici-Tietz-Lyzeum" wurden Klassenräume frei. Früher wohnten die Roma in einer geschlossenen Siedlung auf der Lend. Als in den 50er Jahren die Carpatilor-Straße angelegt wurde, bauten einige Roma-Familien hier Häuser. Nach und nach siedelten sie sich auch in anderen Straßen der Altstadt an. Schon in den 80er Jahren wohnten einige Familien in der Hauptstraße. Begünstigt wurde dies durch die von offizieller Seite betriebene Räumung der Roma-Siedlung auf der Lend wie auch durch den Wegzug der Deutschen aus der Altstadt, teils wegen Aussiedlung, teils wegen Umzugs in die neuen Wohnviertel Govindari u.a. In die auf diese Weise leer gewordenen Häuser zogen oft Roma ein. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen. 1986 wurden alle Personen ab 18 Jahren in den Wählerlisten erfaßt. Das waren zwischen Stavila und Kathedrale mehrheitlich Rumänen, 1.735 Deutsche und 488 Roma. Keine Roma gab es in den Straßen Comarnic, Teilor, Driglovet, Oituzului, Siretului, N.Grigorescu, Izvorului und Randunica. In den Straßen Zimbrului, Carpati und 7 Noiembrie war die Zahl der Roma bereits erheblich größer als die der Deutschen. In der Castanilor waren von den 620 erfaßten Personen 136 Deutsche und nur 29 Roma. Heute dürfte sich die Situation nicht nur in dieser Straße erheblich anders darstellen. Was das Verhältnis der übrigen Völkerschaften im Banat (Rumänen, Deutschen, Ungarn, Serben u.a.) zu den Zigeunern betrifft, hat es ihnen gegenüber zwar eine reserviert-ablehnende, aber keine fremdenfeindliche Haltung gegeben. Verfolgt wurden sie in der Antonescu-Zeit (1940-1944), als sie nach Transnistrien deportiert wurden. 90.000 sollen es gewesen sein, davon 30.000 Todesopfer. Das kommunistische Regime gewährte den ethnischen Minderheiten offiziell gleiche Rechte. Dadurch boten sich theoretisch auch den Roma gleiche Möglichkeiten wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Integration in die Gesellschaft. Diese Möglichkeiten wurden jedoch für die meisten durch mangelnde Schulbildung praktisch eingeschränkt. So fanden die Männer meist als Hilfsarbeiter Beschäftigungen, die mit schmutziger und schwerer körperlicher Arbeit verbunden waren. Sie arbeiteten bei der Müllabfuhr und als Straßenkehrer, in der Industrie, am Bau und im Transportwesen, als Fuhrleute, später auch als Schofföre. Die Einrichtung von Roma-Klassen, wie sie auch von der Organisation der Roma gefordert wurde, ist zu begrüßen. Den Roma wird damit ein Recht gewährt, das andere ethnische Minderheiten des Landes seit langem haben. Der Anfang wird nicht leicht sein, da es keine schulische Tradition der Roma gibt und sowohl Lehrbücher wie auch entsprechend ausgebildete Lehrer fehlen. Man wird also vorerst in den Roma-Klassen eine Reihe von Fächern weiter in rumänischer Sprache unterrichten. Trotzdem sind Roma-Klassen meines Erachtens eine Vorteil für die Schüler. Vom regelmäßigen Schulbesuch, in rumänischen Klassen ein Randproblem mit einigen Roma-Kindern, hängt jetzt die Existenz der Roma- Klassen ab. Das könnte ein Ansporn für die Eltern sein, ihre Kinder regelmäßig zur Schule zu schicken. Auch wenn es keine offene Diskriminierung der Roma-Kinder gegeben hat, so gab es doch oft Probleme mit ihrer Integration in die Klassengemeinschaft, was sicher bei manchen der Kinder Minderwertigkeitsgefühle und Aggressionen ausgelöst hat und sich schließlich auch auf die schulische Leistung ausgewirkt hat. Nutzen die Roma die Chance, die ihnen geboten wird, könnte dies langfristig ihrer Integration in die Gesellschaft nur nützen.
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